Das Unternehmen Rabbit hat mit RabbitOS 2 ein umfassendes Software-Update für sein KI-Gadget R1 veröffentlicht. Nach einem kritischen Empfang bei der Markteinführung soll die neue Version die Funktionalität grundlegend verbessern und den Nutzern ermöglichen, eigene kleine Anwendungen per Sprachbefehl zu erstellen.
Wichtige Fakten
- RabbitOS 2 führt eine neue Benutzeroberfläche mit Karten-Design und eine funktionierende Touchscreen-Steuerung ein.
- Die Hauptfunktion „Creations“ erlaubt es Nutzern, einfache Apps durch verbale Beschreibungen zu erstellen.
- Das Update kommt nach massiver Kritik an der ursprünglichen Software, die als fehlerhaft und unvollständig galt.
- CEO Jesse Lyu bittet um eine „zweite Chance“ und sieht die Zukunft des Geräts in der personalisierten App-Erstellung.
Ein schwieriger Start und die Suche nach Relevanz
Der Rabbit R1 war einer der meistdiskutierten Produkte der CES 2024. Mit seinem kompakten Design und dem Versprechen, Smartphone-Aufgaben ohne die Ablenkungen eines herkömmlichen Telefons zu erledigen, erzeugte das Gerät große Erwartungen. Die Realität nach der Auslieferung war jedoch ernüchternd.
Tester und erste Nutzer kritisierten die Software als fehlerhaft und unzuverlässig. Viele der angekündigten Funktionen waren nicht verfügbar oder funktionierten nicht wie beworben. Diese Erfahrung teilte der R1 mit dem AI Pin des Konkurrenten Humane, der inzwischen sein Geschäft an HP verkaufte und den Support für sein Gerät einstellte.
Rabbit hat jedoch durchgehalten und präsentiert nun mit RabbitOS 2 ein Update, das als Neuanfang verstanden werden soll. „Wir möchten diese Gelegenheit nutzen, um die Leute um eine zweite Chance zu bitten“, erklärte Jesse Lyu, CEO von Rabbit, in einem Statement.
Hintergrund: Der KI-Gadget-Hype
Anfang 2024 galten dedizierte KI-Hardware-Geräte wie der Rabbit R1 und der Humane AI Pin als mögliche Nachfolger des Smartphones. Sie versprachen eine direktere Interaktion mit künstlicher Intelligenz, ohne auf App-Oberflächen angewiesen zu sein. Die anfänglichen Softwareprobleme beider Geräte dämpften die Euphorie jedoch erheblich und führten zu der Frage, ob spezialisierte Hardware notwendig ist, wenn KI-Funktionen zunehmend in Smartphones integriert werden.
Die Neuerungen von RabbitOS 2
Das Update auf RabbitOS 2 bringt tiefgreifende Änderungen an der Bedienung und dem Funktionsumfang des R1. Die Verbesserungen zielen darauf ab, die grundlegendsten Kritikpunkte an der ersten Version auszuräumen.
Verbesserte Benutzeroberfläche und Bedienung
Eine der größten Schwächen des R1 war die umständliche Steuerung. Der Touchscreen reagierte nicht wie bei einem Smartphone, was selbst einfache Aktionen wie das Öffnen der Einstellungen erschwerte. Mit RabbitOS 2 wurde die Oberfläche komplett überarbeitet.
Ein neues System aus farbigen Karten zeigt nun übersichtlich an, welche Funktionen verfügbar sind. Entscheidend ist, dass der Bildschirm jetzt auf normale Tipp- und Wischgesten reagiert. Dies macht die Navigation deutlich intuitiver und schneller. Zusätzlich wurden weitere praktische Verbesserungen vorgenommen, wie die Möglichkeit, Sprachnotizen ohne Internetverbindung zu transkribieren.
Die Kernfunktion „Creations“
Das Herzstück des Updates ist eine Funktion namens „Creations“. Sie ist eine Weiterentwicklung des zuvor eingeführten „Teach Mode“ und erlaubt es Nutzern, eigene kleine Programme für den R1 zu erstellen, indem sie dem Gerät einfach beschreiben, was die Anwendung tun soll.
Der Prozess funktioniert dialogbasiert. Der Nutzer beschreibt die gewünschte Funktion, woraufhin der R1 gezielte Fragen stellt, um die Anforderungen zu präzisieren. Ein KI-Agent namens „Intern“ übernimmt im Hintergrund die Programmierung. Laut Rabbit kennt der Agent die Hardware des R1 genau, sodass keine technischen Details vom Nutzer benötigt werden.
Beispiel: Eine Stimm-App in fünf Minuten
Um die Funktionsweise zu demonstrieren, wurde gezeigt, wie eine App zum Stimmen einer Gitarre erstellt wird. Der gesamte Vorgang dauerte laut Berichten etwa fünf Minuten. Der Nutzer konnte nicht nur die Funktion festlegen, sondern auch das Design, wie die Farbe der Benutzeroberfläche und die Art der Anzeige (z. B. eine Nadelanzeige).
Die Verteilung dieser selbst erstellten Apps erfolgt nicht über einen traditionellen App-Store. Stattdessen können Nutzer ihre „Creations“ über das Online-Portal „Rabbithole“ oder einfache QR-Codes mit anderen teilen. Für Lyu ist dies das Alleinstellungsmerkmal, das dem R1 bisher gefehlt hat.
Herausforderungen und offene Fragen
Trotz der deutlichen Verbesserungen bleiben für Rabbit große Hürden bestehen. Die grundlegende Frage, warum Verbraucher ein zweites Gerät neben ihrem Smartphone tragen sollten, ist weiterhin unbeantwortet.
„Die größte Barriere ist, dass niemand zwei Geräte mit sich herumtragen will. Wir wissen das“, räumt CEO Jesse Lyu ein.
Ein weiteres Problem ist das Vertrauen der Nutzer. Für sensible Aufgaben wie Online-Banking bevorzugen die meisten Menschen etablierte und geprüfte Anwendungen auf ihrem Smartphone. Es ist unwahrscheinlich, dass Banken in naher Zukunft Schnittstellen für per KI erstellte Apps auf einem Nischengerät anbieten werden.
Monetarisierung und technologische Grenzen
Das „Creations“-Modell wirft auch wirtschaftliche Fragen auf. Aktuell gibt es keine Möglichkeit für Entwickler, mit ihren erstellten Apps Geld zu verdienen. Nur Rabbit profitiert vom Verkauf des Geräts und der zur Erstellung notwendigen Rechenleistung.
Die Erstellung von „Creations“ verbraucht sogenannte „Intern Tasks“, die kostenpflichtig sind:
- 3 Tasks kosten 30 US-Dollar
- Ein monatliches Abonnement für 30 Tasks kostet 70 US-Dollar
Diese Kostenstruktur könnte die Experimentierfreude der Nutzer einschränken. Zudem sind die Möglichkeiten der KI-generierten Apps begrenzt. Einfache Werkzeuge wie ein Gitarrenstimmer sind machbar, doch komplexere Anwendungen, etwa ein vollwertiger Musik-Streaming-Client, stoßen schnell an ihre Grenzen und bieten im Vergleich zu den offiziellen Smartphone-Apps nur grundlegende Funktionen.
Die langfristige Vision und der wachsende Wettbewerb
Jesse Lyu verteidigt den Ansatz des Unternehmens und sieht ihn als langfristige Investition in eine neue Art der Software-Entwicklung. „Wenn man vergleicht, wie Sie Ihre Stimm-App gebaut haben, mit dem, wie jemand eine solche App für den App Store entwickeln und verkaufen würde, ist das ein Generationsunterschied“, so Lyu.
Rabbit plant langfristig und erwartet den entscheidenden Wandel erst in einigen Jahren. „Ich glaube nicht, dass wir dieses oder nächstes Jahr einen iPhone-ähnlichen Moment erleben werden. Ab 2027 wird der Generationswechsel stattfinden“, prognostiziert der CEO.
Diese Zeitangabe könnte auf die Entwicklung eines eigenen Geräts im Smartphone-Formfaktor hindeuten, auch wenn das Unternehmen dies nicht offiziell bestätigt. Bis dahin wächst jedoch der Druck durch die Konkurrenz.
Große Technologieunternehmen wie OpenAI, das mit dem ehemaligen Apple-Designer Jony Ive an einem KI-Gerät arbeitet, drängen in den Markt. Gleichzeitig integrieren etablierte Smartphone-Hersteller wie Samsung, Google und sogar kleinere Marken wie Nothing zunehmend KI-Funktionen direkt in ihre Betriebssysteme – einschließlich Werkzeugen zur App-Erstellung. Für Rabbit wird die Herausforderung darin bestehen, schnell genug einen echten Mehrwert zu beweisen, bevor die Konkurrenz aufholt.



