Ein unerwarteter Trend erobert die sozialen Medien und Küchen weltweit: Alte, klobige Röhrenfernseher mit integrierten DVD- oder VHS-Playern erleben eine Renaissance. Statt auf riesige 4K-Bildschirme zu setzen, suchen viele Menschen gezielt nach der Einfachheit und Nostalgie der Technik aus den 1990er und frühen 2000er Jahren.
Dieses Phänomen ist mehr als nur eine technische Marotte. Es spiegelt den Wunsch nach einer bewussteren Mediennutzung, einer Abkehr von endlosen Streaming-Optionen und einer Rückbesinnung auf greifbare, physische Medien wider. Für viele ist der kleine „Küchenfernseher“ ein Symbol für Gemütlichkeit und eine einfachere Zeit.
Wichtige Erkenntnisse
- Alte Röhrenfernseher mit integrierten Abspielgeräten werden auf Plattformen wie Facebook Marketplace wieder populär.
- Der Trend wird durch Nostalgie für die 1990er und 2000er Jahre sowie den Wunsch nach einem taktilen, analogen Erlebnis angetrieben.
- Nutzer schätzen die begrenzte Auswahl an Filmen auf DVD oder VHS als Gegenmittel zur Überforderung durch Streaming-Dienste.
- Die kleinen Fernseher helfen dabei, die Smartphone-Nutzung in der Küche zu reduzieren und bewusstere Grenzen zu setzen.
Ein Gegentrend zur modernen Technik
Jahrzehntelang bewegte sich die Fernsehindustrie nur in eine Richtung: immer größere, flachere und hochauflösendere Bildschirme. Moderne Geräte sollen sich nahtlos in die Wohnwand integrieren und im Idealfall wie Kunstwerke aussehen. Doch nun gewinnt ein bescheidener, kastenförmiger Fernseher an Popularität, der diesem Trend komplett widerspricht.
Der sogenannte Küchenfernseher steht für eine Ästhetik, die Gemütlichkeit und Erinnerungen an die Kindheit zelebriert. Es geht nicht nur darum, beim Kochen fernzusehen – das wäre auch mit einem Tablet oder einem Smart-Display am Kühlschrank möglich. Stattdessen suchen die Anhänger dieses Trends ein ganz bestimmtes Gefühl.
Paul Gagnon, Vizepräsident beim Marktanalyseunternehmen Circana, bestätigt diesen Wandel. „Es gibt eine deutliche Wiederbelebung dieser nostalgischen Technologie, insbesondere von Produkten aus den 90er und frühen 2000er Jahren“, erklärt er. „Eine Generation scheint sich nach dieser Art von taktiler Erfahrung und dem nostalgischen Look-and-Feel der alten Schule zu sehnen.“
Das haptische Erlebnis im Vordergrund
Der Reiz dieser Geräte liegt in ihren physischen Eigenschaften, die bei moderner Technik verloren gegangen sind. Das dumpfe Geräusch beim Einschalten, das Klicken der echten Knöpfe und das mechanische Auswerfen einer DVD oder VHS-Kassette sind Teil des Erlebnisses.
Diese Interaktionen schaffen eine bewusstere Verbindung zum Medium. Anstatt passiv durch endlose Menüs zu scrollen, wird die Entscheidung für einen Film zu einem aktiven Prozess. Man muss eine Hülle aus dem Regal nehmen, die Disc einlegen und das Gerät manuell bedienen.
Weniger Auswahl als bewusste Entscheidung
In einer Zeit, in der Streaming-Dienste Tausende von Filmen und Serien auf Abruf anbieten, wirkt die Beschränkung auf eine kleine Sammlung von DVDs oder Videokassetten fast schon befreiend. Viele Nutzer empfinden die ständige Verfügbarkeit als Belastung.
„Eine kuratierte Auswahl und weniger Optionen zu haben, ist wahrscheinlich eines der Dinge, die ich am Küchenfernseher am meisten mag“, sagt Rachel Dwyer, die den Trend für sich entdeckt hat. „Wir haben heute zu viele Wahlmöglichkeiten. Eine kleine Einschränkung ist tatsächlich sehr gesund.“
Dwyer nutzt ihren alten Fernseher mit VHS-Player, um sich beim Kochen oder Aufräumen mit Klassikern wie „Grease“ zu unterhalten. Für sie sind es Filme, die sie bereits unzählige Male gesehen hat und die ein Gefühl von Geborgenheit vermitteln.
Hintergrund: Physische Medien im digitalen Zeitalter
Obwohl Streaming dominiert, erleben physische Medien wie Schallplatten, Bücher und nun auch DVDs und VHS-Kassetten eine Nische-Renaissance. Experten sehen darin den Wunsch nach Besitz und Beständigkeit in einer flüchtigen digitalen Welt. Ein physisches Objekt kann nicht einfach aus einem Online-Katalog entfernt werden und erfordert eine bewusstere Kauf- und Nutzungsentscheidung.
Diese bewusste Abkehr vom Digitalen hilft auch dabei, die allgemeine Bildschirmzeit zu reduzieren, insbesondere die Nutzung von Smartphones. Mary Banks aus Los Angeles versucht, ihre Küche zu einer handyfreien Zone zu machen. Ihr alter Fernseher aus Kindertagen unterstützt sie dabei.
„Ich war wirklich überrascht, wie oft ich ihn tatsächlich benutze“, erklärt Banks. „Es ist zu einem Teil meiner Kochroutine geworden, ihn einfach laufen zu lassen. Es ist eine kleine Sache, die sowohl Grenzen setzt als auch durch die Nostalgie Trost spendet.“
Veränderungen im Wohndesign als Treiber
Der Trend zum Küchenfernseher steht auch im Zusammenhang mit Entwicklungen in der Innenarchitektur. Über Jahrzehnte dominierten offene Grundrisse, bei denen Küche, Ess- und Wohnbereich ineinander übergingen. Dadurch war der große Fernseher im Wohnzimmer oft auch von der Küche aus sichtbar.
Inzwischen gibt es jedoch eine wachsende Sehnsucht nach geschlossenen Räumen, die mehr Privatsphäre und klar definierte Funktionsbereiche bieten. „Mit der Wiederkehr des Wunsches nach geschlossenen Grundrissen macht der Küchenfernseher einfach Sinn“, meint die auf Wohndesign spezialisierte Content-Erstellerin Sara Parker.
Fakt: Das Ende der Röhre
Ein großflächiges Comeback der klassischen Röhrenfernseher (CRT, Cathode-Ray Tube) ist technisch unwahrscheinlich. Laut dem Analysten Paul Gagnon werden die Kathodenstrahlröhren, die diesen Geräten ihr charakteristisches Aussehen verleihen, heute nicht mehr hergestellt. Der Trend bleibt daher auf den Gebrauchtmarkt und bereits vorhandene Geräte beschränkt.
Die Jagd nach dem perfekten Gerät
Ein wesentlicher Teil des Reizes besteht darin, dass man diese Fernseher nicht einfach im nächsten Elektronikmarkt kaufen kann. Die Suche auf Flohmärkten, in Kleinanzeigen oder im eigenen Keller wird zu einem Teil des Erlebnisses.
Kyleigh Rose, die Vintage-Shopping liebt, sieht darin einen positiven Aspekt. „In der heutigen Zeit will man alles sofort per Expressversand haben. Ich musste geduldig sein und habe ein paar Monate gesucht“, erzählt sie. Diese Entschleunigung steht im starken Kontrast zum schnellen Online-Konsum.
Ihre Empfehlung für andere Interessierte lautet daher: „Sei geduldig, denn das richtige Gerät wird kommen und perfekt in deinen Raum passen.“ Für sie und viele andere ist der kleine, alte Fernseher in der Küche mehr als nur ein Gerät – er ist ein Statement für eine bewusstere, nostalgische und entschleunigte Lebensweise.





