In einem Krankenhaus in Boston wurde eine 63-jährige Frau mit starken Bauchschmerzen und Erbrechen behandelt. Die Ursache war eine große Masse in ihrem Magen, ein sogenannter Bezoar. Die Ärzte wählten eine überraschend einfache Methode zur Behandlung: Sie verordneten der Patientin, Diät-Cola zu trinken, woraufhin sich die Blockade vollständig auflöste.
Der Fall, der im New England Journal of Medicine veröffentlicht wurde, hebt eine unkonventionelle, aber zunehmend anerkannte medizinische Anwendung für das beliebte Erfrischungsgetränk hervor und wirft ein Licht auf mögliche Nebenwirkungen von Medikamenten zur Gewichtsreduktion.
Wichtige Erkenntnisse
- Eine 63-jährige Frau wurde wegen einer Magenmasse (Bezoar) behandelt, die durch das Trinken von Diät-Cola aufgelöst wurde.
- Die Bildung des Bezoars wurde mit der Einnahme von Semaglutid, einem GLP-1-Medikament zur Gewichtsabnahme, in Verbindung gebracht.
- Coca-Cola wird aufgrund seiner sauren Eigenschaften zunehmend als Erstbehandlung für bestimmte Arten von Magenbezoaren eingesetzt.
- Die Patientin erholte sich vollständig, nachdem die Masse verschwunden war, und setzte die Einnahme des Medikaments ab.
Ein Monat voller Schmerzen
Eine 63-jährige Frau suchte die Notaufnahme des Brigham and Women’s Hospital in Boston auf. Sie litt seit einem Monat unter starken, brennenden Schmerzen im Oberbauch, die bis in den Rücken ausstrahlten. Begleitet wurden die Schmerzen von starker Übelkeit und wiederholtem Erbrechen.
Bei der Aufnahme erfassten die Ärzte ihre umfangreiche Krankengeschichte. Die Patientin litt unter anderem an Typ-2-Diabetes, einer chronischen Nierenerkrankung im zweiten Stadium und gastroösophagealer Refluxkrankheit (GERD). Sie nahm verschiedene Medikamente ein, darunter seit etwa einem Jahr auch Semaglutid, einen GLP-1-Wirkstoff, der zur Gewichtsabnahme eingesetzt wird. Durch das Medikament hatte sie rund 40 Pfund (etwa 18 Kilogramm) abgenommen, was mehr als 19 Prozent ihres Körpergewichts entsprach.
Die Suche nach der Ursache
Die Ärzte leiteten sofort Laboruntersuchungen und bildgebende Verfahren ein. Eine Computertomographie (CT) des Bauchraums zeigte einen vergrößerten Gallengang und einen geschwollenen Magen, der mit einer halbfesten Masse gefüllt zu sein schien. Eine anschließende Magnetresonanztomographie (MRT) bestätigte diesen Befund und zeigte eine Masse mit Lufteinschlüssen.
Der Verdacht fiel auf einen Magenbezoar. Dies sind feste Massen, die sich im Magen aus unverdaulichem Material bilden können. Um den Verdacht zu bestätigen, führten die Mediziner eine Endoskopie durch. Dabei wird eine kleine Kamera durch die Speiseröhre in den Magen eingeführt. Die Bilder zeigten eine große, grünliche und schleimbedeckte Masse, die einen erheblichen Teil des Magens ausfüllte.
Was ist ein Magenbezoar?
Ein Bezoar ist eine Ansammlung von unverdaulichem Material im Magen-Darm-Trakt. Es gibt verschiedene Arten, je nach Zusammensetzung:
- Phytobezoare: Die häufigste Form, bestehend aus unverdauten Pflanzenfasern wie Zellulose aus Obst und Gemüse.
- Trichobezoare: Entstehen durch das Verschlucken von Haaren, oft im Zusammenhang mit psychischen Störungen.
- Laktobezoare: Bestehen aus Milchprodukten und Schleim, meist bei Säuglingen zu finden.
- Pharmakobezoare: Bilden sich aus unlöslichen Bestandteilen von Medikamenten.
Die Bildung von Bezoaren kann durch eine verlangsamte Magenentleerung begünstigt werden.
Eine unkonventionelle Behandlungsmethode
Normalerweise werden Bezoare endoskopisch zerkleinert oder chirurgisch entfernt. In den letzten Jahren hat sich jedoch eine schonendere Methode etabliert: der Versuch, die Masse chemisch aufzulösen. Das Mittel der Wahl ist dabei überraschenderweise Coca-Cola.
Die Wirksamkeit wird auf die sauren Eigenschaften des Getränks zurückgeführt. Laut einem Editorial im World Journal of Gastrointestinal Endoscopy helfen die enthaltene Kohlensäure und Phosphorsäure dabei, das faserige Material in Phytobezoaren aufzuspalten. Obwohl der genaue Mechanismus noch nicht vollständig verstanden ist, gilt Coca-Cola inzwischen als anerkannte Erstbehandlung.
Studie bestätigt Wirksamkeit
Eine randomisierte kontrollierte Studie aus dem Jahr 2024 mit 160 Patienten in China kam zu dem Schluss, dass die rechtzeitige Einnahme von Coca-Cola bei Phytobezoaren erhebliche Vorteile bietet. Die Studie ergab eine vollständige Auflösungsrate von 100 Prozent, eine geringe Häufigkeit von Magengeschwüren und reduzierte Kosten, da keine weiteren Eingriffe notwendig waren.
Vier Dosen Diät-Cola als Medizin
Da es sich bei der Masse im Magen der Frau höchstwahrscheinlich um einen Phytobezoar handelte, entschieden sich die Ärzte für diese Methode. Aufgrund ihres Typ-2-Diabetes wurde ihr Diät-Cola verschrieben. Der ursprüngliche Plan sah vor, dass sie innerhalb von 12 Stunden 3.000 Milliliter – umgerechnet etwa 8,5 Dosen – trinken sollte.
Die Patientin lehnte dies jedoch ab, da sie keine kohlensäurehaltigen Getränke mochte. Daraufhin reduzierten die Ärzte die Dosis auf 1.500 Milliliter, was etwa vier Dosen entspricht. Selbst diese geringere Menge zeigte Wirkung.
Am nächsten Tag berichtete die Frau von einem „plötzlichen Ziehen“ in ihrem Bauch, gefolgt von einer sofortigen Linderung ihrer Übelkeit und Bauchschmerzen.
Eine erneute Endoskopie bestätigte den Erfolg: Der Bezoar war vollständig verschwunden. Die Frau erholte sich schnell von ihren Symptomen und konnte bei ihrer Entlassung aus dem Krankenhaus wieder eine normale Ernährung aufnehmen.
Verbindung zu Abnehmmittel Semaglutid
Als wahrscheinliche Ursache für die Bildung des Bezoars identifizierten die Ärzte die Einnahme von Semaglutid. Als GLP-1-Medikament zur Gewichtsabnahme verlangsamt es unter anderem die Magenentleerung. Diese verzögerte Passage der Nahrung kann die Ansammlung von unverdaulichen Materialien begünstigen und so die Bildung eines Bezoars fördern.
Nach ihrer Genesung entschied sich die Patientin, die Einnahme von Semaglutid zu beenden. Der Fall zeigt, wie wichtig es ist, bei der Anwendung solcher Medikamente auf mögliche gastrointestinale Nebenwirkungen zu achten und bei entsprechenden Symptomen ärztlichen Rat einzuholen.





