Ein Forscherteam hat eine unerwartete Entdeckung gemacht, die neue Möglichkeiten zur Behandlung von Haarausfall eröffnen könnte. Eine Studie zeigte, dass ein Gel aus einem natürlich vorkommenden Zuckermolekül, der Desoxyribose, bei Mäusen ein starkes Haarwachstum anregte. Die Ergebnisse waren mit denen des etablierten Medikaments Minoxidil vergleichbar.
Die Untersuchung, die von Wissenschaftlern der University of Sheffield und der COMSATS University in Pakistan durchgeführt wurde, legt nahe, dass die Verbesserung der Blutversorgung der Haarfollikel ein Schlüsselmechanismus sein könnte. Obwohl die Forschung noch in einem frühen Stadium ist, weckt sie Hoffnung auf neue, einfachere Behandlungsansätze.
Wichtige Erkenntnisse
- Ein Gel mit dem Zucker Desoxyribose förderte in einer Tierstudie starkes Haarwachstum.
- Die Wirksamkeit war vergleichbar mit dem bekannten Haarwuchsmittel Minoxidil.
- Forscher vermuten, dass der Zucker die Blutversorgung der Haarfollikel verbessert.
- Die Entdeckung war ein Zufallsfund während einer Wundheilungsstudie.
- Weitere Forschung ist notwendig, um die Ergebnisse auf den Menschen zu übertragen.
Ein unerwarteter Durchbruch in der Haarforschung
Die Suche nach wirksamen Mitteln gegen Haarausfall ist ein andauerndes Forschungsfeld. Nun könnte eine zufällige Beobachtung zu einem neuen Ansatz führen. Wissenschaftler untersuchten ursprünglich die Wirkung von Desoxyribose, einem Zucker, der ein fundamentaler Baustein der DNA ist, auf die Wundheilung bei Mäusen.
Dabei stellten sie fest, dass das Fell um die behandelten Hautstellen nicht nur heilte, sondern auch schneller und dichter nachwuchs als bei unbehandelten Kontrollgruppen. Diese Beobachtung veranlasste das Team, das Potenzial des Zuckers gezielt für die Behandlung von Haarausfall zu untersuchen.
Hintergrund: Androgenetische Alopezie
Die androgenetische Alopezie, auch erblich bedingter Haarausfall genannt, ist die häufigste Form des Haarverlusts. Sie betrifft sowohl Männer als auch Frauen und wird durch eine Kombination aus genetischer Veranlagung, Hormonen und dem Alterungsprozess verursacht. Schätzungen zufolge sind bis zu 40 Prozent der Bevölkerung davon betroffen.
Die Studie im Detail: Zuckergel gegen Haarausfall
Für ihre im Juni 2024 in der Fachzeitschrift Frontiers in Pharmacology veröffentlichte Studie verwendeten die Forscher männliche Mäuse, bei denen durch Testosteron künstlich Haarausfall ausgelöst wurde. Den Tieren wurde das Fell auf dem Rücken entfernt, um eine kahle Stelle zu schaffen.
Anschließend wurde täglich eine kleine Menge des Desoxyribose-Gels auf die Haut aufgetragen. Innerhalb weniger Wochen beobachteten die Wissenschaftler ein „robustes“ Nachwachsen der Haare. Die nachgewachsenen Haare waren lang und kräftig.
Vergleich mit etablierten Methoden
Um die Wirksamkeit einzuordnen, wurde das Zuckergel direkt mit Minoxidil verglichen, einem der bekanntesten und am weitesten verbreiteten topischen Mittel gegen Haarausfall, das unter Markennamen wie Rogaine verkauft wird. Eine weitere Gruppe von Mäusen erhielt eine Kombination aus beiden Substanzen.
Die Ergebnisse waren eindeutig: Das Desoxyribose-Gel förderte das Haarwachstum in einem ähnlichen Maße wie Minoxidil. Beide Behandlungen führten bei 80 bis 90 Prozent der Mäuse zu einer Wiederherstellung des Haarwuchses. Eine Kombination beider Wirkstoffe brachte keinen signifikanten zusätzlichen Vorteil.
„Unsere Forschung deutet darauf hin, dass die Antwort zur Behandlung von Haarausfall so einfach sein könnte wie die Verwendung eines natürlich vorkommenden Desoxyribose-Zuckers, um die Blutversorgung der Haarfollikel zu verbessern und das Haarwachstum zu fördern“, erklärte die Gewebeingenieurin Sheila MacNeil von der University of Sheffield.
Wie könnte der Zucker das Haarwachstum anregen?
Der genaue Mechanismus, durch den Desoxyribose das Haarwachstum stimuliert, ist noch nicht vollständig geklärt. Die Forscher stellten jedoch fest, dass sich im Bereich der behandelten Hautstellen die Anzahl der Blutgefäße und Hautzellen erhöhte. Dies legt nahe, dass das Zuckergel die Angiogenese, also die Bildung neuer Blutgefäße, fördert.
Bessere Durchblutung, kräftigeres Haar
Eine verbesserte Blutversorgung ist für die Haarfollikel von entscheidender Bedeutung. Sie sorgt dafür, dass die Haarwurzeln ausreichend mit Nährstoffen und Sauerstoff versorgt werden. „Je besser die Blutversorgung des Haarfollikels ist, desto größer ist sein Durchmesser und desto stärker das Haarwachstum“, schreiben die Forscher in ihrer Studie.
Die Analyse der nachgewachsenen Haarschäfte unter dem Mikroskop bestätigte diesen Zusammenhang. Die Haare der mit Desoxyribose oder Minoxidil behandelten Mäuse waren sichtbar dicker und kräftiger als die der unbehandelten Gruppen.
Herausforderungen und Zukunftsaussichten
Trotz der vielversprechenden Ergebnisse betonen die Wissenschaftler, dass sich die Forschung noch in einem sehr frühen Stadium befindet. Die Experimente wurden bisher ausschließlich an männlichen Mäusen durchgeführt. Zukünftige Studien müssen klären, ob der Effekt auch bei weiblichen Modellen und vor allem beim Menschen reproduzierbar ist.
Begrenzte Optionen bei Haarausfall
Derzeit gibt es nur eine begrenzte Anzahl von zugelassenen Behandlungen für androgenetische Alopezie. Die US-amerikanische Food and Drug Administration (FDA) hat bisher nur zwei Medikamente genehmigt:
- Minoxidil: Eine topische Lösung, die das Haarwachstum anregen kann, aber nicht bei allen Anwendern wirkt.
- Finasterid: Ein oral einzunehmendes Medikament für Männer, das den Haarausfall bei 80 bis 90 Prozent der Patienten verlangsamen kann. Es muss jedoch kontinuierlich eingenommen werden und kann teils erhebliche Nebenwirkungen haben, darunter sexuelle Funktionsstörungen und Depressionen.
„Die Behandlung der androgenetischen Alopezie bleibt eine Herausforderung“, so das Forscherteam. Ein neuer, gut verträglicher Wirkstoff auf Basis eines natürlichen Zuckers wäre daher ein bedeutender Fortschritt.
Mögliche neue Anwendungsgebiete
Sollte sich das Desoxyribose-Gel auch in klinischen Studien am Menschen als wirksam erweisen, könnten sich vielfältige Anwendungsmöglichkeiten ergeben. Neben der Behandlung von erblich bedingtem Haarausfall könnte es auch dazu beitragen, das Wachstum von Haaren, Wimpern und Augenbrauen nach einer Chemotherapie zu beschleunigen.
„Dies ist ein stark untererforschtes Gebiet, und daher sind neue Ansätze erforderlich“, schreiben die Autoren. Die aktuellen Ergebnisse sind ein vielversprechender erster Schritt, der weitere intensive Forschung rechtfertigt.





