Auf Plattformen wie YouTube gewinnen Workouts, die eine „Sanduhr“-Figur versprechen, zunehmend an Popularität. Millionen von Aufrufen zeugen von dem großen Interesse an Trainingsmethoden, die eine schmale Taille und ausgeprägte Hüften in Aussicht stellen. Doch die wissenschaftlichen Grundlagen des Fitnesstrainings stehen oft im Widerspruch zu solchen Versprechen. Eine genauere Analyse eines populären 30-minütigen Hantel-Workouts zeigt, was diese Programme tatsächlich leisten können – und wo ihre Grenzen liegen.
Im Kern basieren diese Workouts auf Kraftübungen, die Muskeln aufbauen sollen, um die Körperform optisch zu verändern. Die zentrale Frage bleibt jedoch, ob ein Trainingsprogramm allein die genetisch bedingte Körperstruktur grundlegend verändern kann. Experten betonen, dass gezielter Fettabbau an bestimmten Körperstellen ein Mythos ist.
Wichtige Erkenntnisse
- Workouts, die eine „Sanduhr“-Figur versprechen, sind oft effektive Ganzkörper-Trainingsprogramme, die Kraft aufbauen.
- Die Behauptung, eine bestimmte Körperform antrainieren zu können, ist irreführend, da Genetik und Körperfettanteil entscheidende Rollen spielen.
- Gezielter Fettabbau (Spot Reduction) ist wissenschaftlich nicht möglich; Fettverlust erfolgt am gesamten Körper.
- Trainingspläne wie der von Olivia Lawson können die Muskulatur stärken, was die Körpersilhouette beeinflusst, aber keine Knochenstruktur verändert.
Der Aufbau eines typischen „Sanduhr“-Workouts
Ein weit verbreitetes Beispiel ist das 30-minütige Hantel-Workout der Fitnesstrainerin Olivia Lawson, das als „Hourglass Workout“ vermarktet wird. Dieses Programm dient als gute Grundlage für eine Analyse der Methodik solcher Trainingspläne.
Die Struktur ist auf Effizienz und Abwechslung ausgelegt, um die Teilnehmer motiviert zu halten. Sie umfasst in der Regel eine Aufwärmphase, einen Hauptteil mit Kraftübungen und einen abschließenden Teil zur Stärkung der Rumpfmuskulatur, gefolgt von einer Dehnungsphase.
Die Struktur im Detail
Das analysierte Programm von Lawson gliedert sich in mehrere Phasen:
- Aufwärmen: Eine etwa siebenminütige Sequenz zur Vorbereitung der Muskulatur.
- Hauptteil: 22 verschiedene Übungen werden jeweils 45 Sekunden lang ausgeführt, gefolgt von 15 Sekunden Pause. Ein wesentliches Merkmal ist das „No Repeats“-Format, bei dem keine Übung wiederholt wird.
- Core-Finisher: Sechs spezifische Übungen zur Stärkung der Bauch- und Rückenmuskulatur.
- Cool-Down: Eine fünfminütige Dehnungsphase zur Förderung der Regeneration.
Für das Training werden Hanteln mit unterschiedlichem Gewicht benötigt. In Erfahrungsberichten wurden beispielsweise Hanteln mit 5 und 10 Kilogramm als angemessen empfunden.
Faktencheck: Training ohne Wiederholungen
Das „No Repeats“-Format ist psychologisch wirksam, da es Monotonie verhindert und die 30 Minuten kurzweiliger erscheinen lässt. Aus physiologischer Sicht kann es jedoch die muskuläre Erschöpfung, die für maximales Muskelwachstum oft erforderlich ist, weniger stark fördern als klassisches Satztraining mit Wiederholungen.
Was leistet das Training für den Körper?
Unabhängig vom Marketingversprechen bietet ein solches Workout eine solide Grundlage für ein effektives Ganzkörpertraining. Die Übungsauswahl zielt darauf ab, die größten Muskelgruppen des Körpers zu beanspruchen.
Schwerpunkte liegen auf Übungen wie Kniebeugen, Kreuzheben, Ausfallschritten und verschiedenen Druck- und Zugbewegungen. Diese fundamentalen Bewegungsmuster sind entscheidend für den Aufbau funktionaler Kraft und die Steigerung des Kalorienverbrauchs.
Stärken des Programms
Die Analyse zeigt, dass das Workout vor allem die Bein-, Gesäß-, Schulter- und Rumpfmuskulatur intensiv trainiert. Die kurzen Pausen von nur 15 Sekunden halten die Herzfrequenz hoch, was zusätzlich die Ausdauer fördert. Das abwechslungsreiche Format macht das Training besonders für Personen attraktiv, die sich bei repetitiven Übungen schnell langweilen.
Durch den Fokus auf komplexe Grundübungen werden nicht nur einzelne Muskeln isoliert, sondern ganze Muskelketten aktiviert. Dies verbessert die intermuskuläre Koordination und führt zu einem harmonischen Kraftaufbau.
Hintergrund: Muskelaufbau vs. Fettabbau
Krafttraining führt zu einer Hypertrophie der Muskelfasern, also zu Muskelwachstum. Ein gezielter Aufbau von Schulter- und Gesäßmuskulatur kann die Taille optisch schmaler wirken lassen. Dies verändert jedoch nicht den grundlegenden Körperbau. Fettabbau hingegen wird durch ein Kaloriendefizit erreicht, und der Körper entscheidet selbst, an welchen Stellen er Fettreserven abbaut – dies lässt sich nicht durch Übungen steuern.
Kritische Aspekte und notwendige Anpassungen
Trotz der positiven Aspekte eines umfassenden Krafttrainings gibt es auch Kritikpunkte und potenzielle Risiken, insbesondere für bestimmte Personengruppen.
Ein häufiges Problem bei Online-Workouts ist der Mangel an individuellen Anpassungen. Übungen, die für eine Person ideal sind, können für eine andere Person mit Vorerkrankungen oder spezifischen körperlichen Voraussetzungen ungeeignet oder sogar schädlich sein.
Belastung für den unteren Rücken
Einige der Übungen, wie vorgebeugtes Rudern oder Kreuzheben, werden in einer vorgebeugten Haltung ausgeführt. Wenn diese Übungen direkt nacheinander ohne ausreichende Pause für die stabilisierende Rückenmuskulatur durchgeführt werden, kann dies zu einer Überlastung des unteren Rückens führen. Personen mit bestehenden Rückenproblemen sollten hier besonders vorsichtig sein.
„Die korrekte Ausführung ist bei Übungen in vorgebeugter Haltung entscheidend. Eine unsaubere Technik erhöht den Druck auf die Lendenwirbelsäule und kann zu Schmerzen oder Verletzungen führen“, warnt die Deutsche Gesellschaft für Sportmedizin und Prävention (DGSP).
Anpassungen für spezielle Bedürfnisse
Das analysierte Workout enthält im „Core-Finisher“ Übungen wie Crunches oder „Bicycle Crunches“. Diese können für Menschen nach einer Schwangerschaft oder mit einer Rektusdiastase (einem Spalt in der geraden Bauchmuskulatur) ungeeignet sein. Hier wären alternative Übungen wie „Bird Dogs“ oder seitliche Planken eine sicherere Wahl, um die Rumpfmuskulatur zu stärken, ohne übermäßigen Druck auf die Bauchwand auszuüben.
Es wird kritisiert, dass in vielen Online-Programmen keine Modifikationen für solche Fälle angeboten werden, was die Eigenverantwortung und das Wissen der Trainierenden voraussetzt.
Fazit: Effektives Training mit irreführendem Versprechen
Die Untersuchung von „Sanduhr“-Workouts wie dem von Olivia Lawson führt zu einem klaren Ergebnis: Diese Programme können ein sehr effektives Mittel sein, um Kraft aufzubauen, die allgemeine Fitness zu verbessern und die Körperzusammensetzung positiv zu beeinflussen.
Das zentrale Versprechen, eine bestimmte Körperform zu „erschaffen“, ist jedoch irreführend und wissenschaftlich nicht haltbar. Die Körperform wird maßgeblich durch die genetische Veranlagung, die Knochenstruktur und die Verteilung des Körperfetts bestimmt. Selbst die Trainerin Olivia Lawson weist in der Beschreibung ihres Videos darauf hin, dass eine schmale Taille von Genetik, einem starken Rumpf und einem niedrigen Körperfettanteil abhängt.
Ein solches Workout sollte daher nicht mit dem Ziel begonnen werden, einen bestimmten Körpertyp zu erreichen. Stattdessen ist es ein nützliches Werkzeug, um stärker und gesünder zu werden. Wer ein abwechslungsreiches, herausforderndes und kurzes Ganzkörpertraining sucht, kann von solchen Programmen profitieren – solange die Erwartungen realistisch bleiben und auf eine saubere Ausführung geachtet wird.





