Einem neuen Bericht zufolge hat Ubisoft im vergangenen Jahr die Entwicklung eines Assassin's Creed-Spiels gestoppt, das in der Zeit nach dem amerikanischen Bürgerkrieg angesiedelt war. Als Gründe für die Entscheidung werden Bedenken hinsichtlich des politisch aufgeladenen Themas sowie die Reaktionen auf die Besetzung in Assassin's Creed Shadows genannt.
Wichtige Informationen
- Ein geplantes Assassin's Creed-Spiel, das in der Reconstruction-Ära (1860er/70er) angesiedelt war, wurde Berichten zufolge eingestellt.
- Spieler hätten die Rolle eines ehemaligen schwarzen Sklaven übernommen, der im Süden für Gerechtigkeit kämpft.
- Die Einstellung soll im Zusammenhang mit der Kontroverse um den Charakter Yasuke in Assassin's Creed Shadows stehen.
- Anonyme Ubisoft-Mitarbeiter äußerten sich frustriert über die Entscheidung der Unternehmensführung.
Ein historisch brisantes Setting
Das nun offenbar eingestellte Projekt sollte Spieler in eine der turbulentesten Phasen der amerikanischen Geschichte versetzen: die Reconstruction-Ära. Diese Zeit direkt nach dem Ende des Bürgerkriegs in den 1860er und 1870er Jahren war geprägt von tiefgreifenden sozialen und politischen Umwälzungen im Süden der USA.
Laut einem Bericht von Game File, der sich auf fünf aktuelle und ehemalige Ubisoft-Mitarbeiter beruft, war das zentrale Konzept des Spiels äußerst ambitioniert. Spieler sollten in die Rolle eines schwarzen ehemaligen Sklaven schlüpfen, der sich für die Rechte der befreiten Afroamerikaner einsetzt und dabei gegen den aufkommenden Ku-Klux-Klan kämpft.
Hintergrund: Die Reconstruction-Ära
Die Reconstruction (1865–1877) war der Versuch, die nach dem Bürgerkrieg besiegten Südstaaten wieder in die Union zu integrieren und die Rechte der vier Millionen befreiten Sklaven zu sichern. Diese Periode war von politischer Gewalt, Rassismus und dem Widerstand weißer Südstaatler geprägt, was zur Gründung von Organisationen wie dem Ku-Klux-Klan führte.
Die anonymen Quellen, die an dem Projekt beteiligt waren, zeigten sich dem Bericht zufolge begeistert von der kreativen Ausrichtung des Spiels. Sie sahen darin eine Möglichkeit, einen wichtigen, aber oft vernachlässigten Teil der Geschichte zu beleuchten.
Gründe für die Einstellung des Projekts
Die Entscheidung, die Entwicklung des Spiels im Juli letzten Jahres zu beenden, soll von der Ubisoft-Zentrale in Paris ausgegangen sein. Die Gründe dafür sind laut den Quellen vielschichtig und spiegeln die aktuellen Herausforderungen der Spielebranche wider.
Ein wesentlicher Faktor war demnach die negative Reaktion auf die Enthüllung von Yasuke, einem schwarzen Samurai, als einer der beiden spielbaren Hauptcharaktere in Assassin's Creed Shadows. Diese Entscheidung löste in Teilen der Community eine Debatte über historische Authentizität und Diversität aus.
Sorge vor politischer Polarisierung
Die Kontroverse um Yasuke scheint bei Ubisoft die Sorge verstärkt zu haben, dass ein Spiel mit einem noch sensibleren Thema – dem Kampf eines ehemaligen Sklaven gegen den KKK – in der aktuellen politischen Landschaft der USA zu heftigen Auseinandersetzungen führen könnte.
Ein Mitarbeiter fasste die Bedenken der Führungsebene zusammen:
„Zu politisch in einem zu instabilen Land, um es kurz zu machen.“
Diese Aussage deutet darauf hin, dass das Unternehmen befürchtete, mit dem Spiel zwischen die Fronten eines polarisierten gesellschaftlichen Diskurses zu geraten. Die Entscheidung wurde offenbar getroffen, um potenzielle Risiken für die Marke zu minimieren.
Ubisofts Strategie
In den letzten Jahren hat Ubisoft wiederholt betont, politische Themen in seinen Spielen nicht direkt kommentieren zu wollen, obwohl viele Titel wie Far Cry oder The Division in hochpolitischen Szenarien angesiedelt sind. Die Einstellung dieses Projekts scheint diese vorsichtige Haltung zu unterstreichen.
Frustration bei den Entwicklern
Die Mitarbeiter, die mit Game File sprachen, äußerten ihre Enttäuschung über den Schritt. Sie sahen die Entscheidung als ein Zeichen für eine zunehmend risikoaverse Unternehmenskultur.
„Ich war schrecklich enttäuscht, aber nicht überrascht von der Führung“, sagte eine Quelle. Eine andere fügte hinzu:
„Sie treffen immer mehr Entscheidungen, um den politischen 'Status quo' aufrechtzuerhalten und keine Stellung zu beziehen, kein Risiko einzugehen, nicht einmal ein kreatives.“
Diese Aussagen verdeutlichen einen möglichen Konflikt zwischen den kreativen Ambitionen der Entwicklerteams und den geschäftlichen Überlegungen des Managements.
Widersprüchliche Signale von Ubisoft
Die angebliche Entscheidung steht im Kontrast zu früheren Äußerungen von Marc-Alexis Côté, dem Chef der Assassin's Creed-Marke. Nach der Enthüllung von Assassin's Creed Shadows sprach er über die „sich wandelnde kulturelle Landschaft“ rund um Repräsentation in Medien.
Damals sagte Côté gegenüber Eurogamer: „Assassin's Creed handelte schon immer davon, das gesamte Spektrum der menschlichen Geschichte zu erkunden, und diese Geschichte ist von Natur aus vielfältig. Der Geschichte treu zu bleiben bedeutet, den Reichtum menschlicher Perspektiven zu umarmen – ohne Kompromisse.“
Die Einstellung des Reconstruction-Projekts wirft nun die Frage auf, wo die Grenzen für diese kompromisslose Erkundung der Geschichte für Ubisoft liegen.
Neue Partnerschaften und strategische Ausrichtung
Die Nachricht über das eingestellte Spiel kommt zu einer Zeit, in der Ubisoft seine Geschäftsstrategie anpasst. Kürzlich gab das Unternehmen die Gründung von Vantage Studios bekannt, einer von Tencent finanzierten Tochtergesellschaft, die künftig für die größten Marken wie Assassin's Creed und Far Cry verantwortlich sein wird.
Zudem wurde vor kurzem mit Valley of Memory eine von Saudi-Arabien finanzierte Erweiterung für Assassin's Creed Mirage veröffentlicht. Diese Entwicklungen zeigen, dass Ubisoft neue Partnerschaften eingeht, um seine milliardenschweren Franchises weiter auszubauen, während gleichzeitig kreative Risiken bei kontroversen Themen möglicherweise gescheut werden.





