Microsoft treibt die Einführung von PCs mit neuronalen Prozessoreinheiten (NPUs) voran und verspricht intelligentere Windows-Erlebnisse. Trotz intensiver Vermarktung bleibt jedoch eine entscheidende Frage offen: Welchen konkreten Vorteil haben Nutzer heute von dieser spezialisierten Hardware? Bislang fehlt eine überzeugende Anwendung, die den Kauf eines solchen Geräts rechtfertigt.
Wichtige Erkenntnisse
- Microsoft positioniert NPUs als Schlüsseltechnologie für die Zukunft der KI auf PCs, kann aber aktuell kaum praktische Vorteile für den Alltag der Nutzer aufzeigen.
- Bestehende NPU-gestützte Funktionen wie Windows Studio Effects oder die semantische Suche bieten nur geringen Mehrwert.
- Es wächst die Sorge, dass Microsoft NPUs zu einer obligatorischen Hardware-Anforderung für zukünftige Windows-Versionen machen könnte, ähnlich wie bei TPM 2.0 für Windows 11.
- Marktdaten zeigen, dass der Anteil von KI-fähigen Notebooks bereits steigt, was eine solche Anforderung in Zukunft wahrscheinlicher macht.
Microsofts Vision für KI-PCs
Microsoft bewirbt sogenannte Copilot+ PCs, die mit einer Neural Processing Unit (NPU) ausgestattet sind. Diese spezialisierten Chips sind direkt in den Hauptprozessor integriert und sollen Aufgaben der künstlichen Intelligenz (KI) direkt auf dem Gerät ausführen. Der Hauptvorteil liegt darin, dass diese Berechnungen schneller und energieeffizienter ablaufen als auf herkömmlichen CPUs oder GPUs.
Nach Angaben des Unternehmens ermöglichen NPUs „anspruchsvolle KI-Erlebnisse auf Geräten zu einem erschwinglicheren Preis“. Was früher teure Rechenleistung erforderte, soll nun auf günstigeren Geräten möglich sein, um die Technologie einer breiteren Masse zugänglich zu machen.
Was ist eine NPU?
Eine Neural Processing Unit (NPU) ist ein spezialisierter Mikroprozessor, der für die Beschleunigung von Algorithmen des maschinellen Lernens optimiert ist. Im Gegensatz zu einer universellen CPU (Central Processing Unit) oder einer grafikorientierten GPU (Graphics Processing Unit) ist eine NPU darauf ausgelegt, die mathematischen Operationen, die für neuronale Netze typisch sind, besonders effizient auszuführen. Dies ermöglicht eine schnelle und stromsparende lokale KI-Verarbeitung, ohne auf Cloud-Server angewiesen zu sein.
Die Realität der NPU-Nutzung heute
Trotz der ambitionierten Vision von Microsoft ist der unmittelbare Nutzen für den durchschnittlichen Anwender derzeit begrenzt. Die verfügbaren Funktionen, die von einer NPU profitieren, stellen für die meisten Nutzer keine entscheidende Verbesserung ihrer täglichen Arbeit dar.
Zu den bekanntesten Beispielen gehört die umstrittene Recall-Funktion, die Aktivitäten auf dem Bildschirm aufzeichnet, um sie durchsuchbar zu machen. Weitere Anwendungen sind die semantische Windows-Suche, die Anfragen in natürlicher Sprache versteht, sowie kleinere KI-Integrationen in Apps wie Notepad und Fotos.
Windows Studio Effects als Aushängeschild
Ein oft genanntes Feature sind die Windows Studio Effects für Webcams. Diese ermöglichen Funktionen wie die Simulation von Augenkontakt während Videokonferenzen oder das automatische Weichzeichnen des Hintergrunds. Obwohl technisch interessant, sind dies keine Funktionen, die einen Neukauf eines Laptops für die meisten Nutzer rechtfertigen würden.
„Wegen ihrer Architektur sind Copilot+ PCs am besten positioniert, um bereit zu sein, wenn fortschrittlichere Entwicklungen verfügbar werden.“
Dieses Zitat von Microsoft selbst verdeutlicht das Kernproblem: Die Technologie wird mehr mit zukünftigem Potenzial als mit gegenwärtigem Nutzen beworben. Die Botschaft lautet im Wesentlichen: Kaufen Sie die Hardware jetzt, die Software, die sie unverzichtbar macht, kommt später.
Zukünftige Pläne und vage Versprechen
Microsofts langfristige Strategie setzt auf sogenannte KI-Agenten, die direkt unter Windows laufen. Diese sollen komplexe Aufgaben übernehmen und durch kleine Sprachmodelle (Small Language Models, SLMs) angetrieben werden, die effizient auf einer NPU laufen.
Ein erster Schritt ist bereits in den Windows-Einstellungen sichtbar, wo ein Agent auf natürlichsprachige Eingaben wie „Meine Maus ist zu klein“ reagiert und passende Einstellungsoptionen vorschlägt. Microsoft stellt in Aussicht, dass diese Agenten bald „noch komplexere Aufgaben“ übernehmen können, bleibt aber bei den Details vage.
Das Unternehmen spricht von der Möglichkeit, mehrere KI-gesteuerte Anwendungen gleichzeitig auszuführen, ohne konkrete Beispiele für diese revolutionären Anwendungen zu nennen. Für Anwender bleibt unklar, welche Probleme diese zukünftigen Funktionen lösen sollen.
Die Sorge vor einem neuen Hardware-Zwang
Die aggressive Vermarktung von NPUs weckt bei vielen Nutzern und IT-Verantwortlichen eine unangenehme Erinnerung: die Einführung von Windows 11. Damals machte Microsoft einen TPM-2.0-Chip und bestimmte CPU-Generationen zur Voraussetzung, was Millionen von ansonsten voll funktionsfähigen Windows-10-Rechnern offiziell inkompatibel machte.
Windows 11 als Vorbild?
Die Einführung von Windows 11 im Jahr 2021 war von strengen Hardware-Anforderungen geprägt. Insbesondere die Notwendigkeit eines Trusted Platform Module (TPM) 2.0 führte dazu, dass viele PCs, die nur wenige Jahre alt waren, nicht offiziell auf das neue Betriebssystem aktualisiert werden konnten. Dies zwang viele Nutzer und Unternehmen zu einem vorzeitigen Hardware-Upgrade.
Es besteht die Befürchtung, dass Microsoft einen ähnlichen Weg einschlagen könnte, um die Verbreitung von KI-PCs zu beschleunigen. Indem das Unternehmen zunehmend Funktionen in Windows integriert, die eine NPU erfordern, könnte es die Nutzer langsam darauf vorbereiten, dass diese Hardware in einer zukünftigen Windows-Version zur Pflicht wird. Auf Anfrage von The Register wollte Microsoft keine Pläne zur Aufnahme von KI-Hardware in die Kompatibilitätsliste kommentieren.
Marktdaten und Expertenmeinungen
Experten beobachten den Markt genau. Esben Dochy von Lansweeper merkte an, dass Unternehmen die neue Technologie vor allem nach Kriterien wie Effizienzsteigerung und Kosteneinsparungen bewerten werden – Kriterien, die derzeit schwer zu erfüllen sind.
Marie-Christine Pygott, eine leitende Analystin bei Context, bestätigte gegenüber The Register, dass das Wachstum bei Copilot+ PCs zwar vorhanden sei, aber von einer „kleinen Basis“ ausgehe. Die treibenden Kräfte seien eher Marketing, Werbeaktionen und Preissenkungen als die von Microsoft versprochenen Produktivitätsgewinne.
Zukunftssicherheit als Kaufargument
Laut Pygott ist ein wichtiger Kauffaktor der Wunsch nach Zukunftssicherheit. Kunden kaufen Geräte mit NPU nicht unbedingt wegen der aktuellen Funktionen, sondern um zu vermeiden, in naher Zukunft erneut aufrüsten zu müssen, falls eine Killer-App für KI doch noch erscheint.
Marktanteil von KI-Notebooks wächst
Nach Zahlen von Pygott machten KI-fähige Notebooks (definiert als Geräte mit einer NPU) Anfang September bereits 40,5 Prozent des europäischen Distributionskanals aus. Dieser schnell wachsende Anteil macht es für Microsoft politisch einfacher, NPUs in Zukunft zur Voraussetzung zu erklären, da ein Großteil der neueren Geräte bereits darüber verfügt.
Dieser Trend erhöht die Wahrscheinlichkeit, dass Microsoft die Hardware-Anforderungen erneut verschärfen wird. Während die Technologie für viele Nutzer heute noch überflüssig erscheint, könnte sie schon bald zur Eintrittskarte für die nächste Windows-Generation werden. Die Millionen von Windows-10-Nutzern, deren Hardware bereits als veraltet gilt, dürften diese Entwicklung mit großer Sorge betrachten.





