In einer Welt, die von Smartphones dominiert wird, wächst eine Gegenbewegung. Immer mehr Menschen entscheiden sich bewusst für einfachere Mobiltelefone, sogenannte „Dumbphones“, um der ständigen digitalen Ablenkung zu entgehen. Hersteller wie Punkt, Light und HMD Global bedienen diesen Nischenmarkt mit Geräten, die auf das Wesentliche reduziert sind: Telefonieren und Texten.
Diese Entwicklung wird durch Sorgen um die psychische Gesundheit, den Datenschutz und eine generelle Müdigkeit gegenüber der „Attention Economy“ angetrieben. Anstatt technologischen Fortschritt abzulehnen, suchen die Nutzer nach einer bewussteren und kontrollierteren Beziehung zur Technologie.
Wichtige Erkenntnisse
- Eine wachsende Zahl von Nutzern wendet sich von Smartphones ab und bevorzugt einfachere „Dumbphones“ mit begrenzten Funktionen.
- Die Hauptgründe für diesen Trend sind der Wunsch nach digitaler Entgiftung, Bedenken hinsichtlich des Datenschutzes und die negativen Auswirkungen auf die psychische Gesundheit.
- Nischenhersteller wie Punkt und Light bieten Premium-Geräte für diesen Markt an, während HMD Global (Nokia) klassische Modelle wiederbelebt.
- Der Markt für Feature-Phones umfasste im letzten Jahr weltweit rund 210 Millionen verkaufte Geräte im Wert von 3,2 Milliarden US-Dollar.
- Neue Geräte wie das HMD Fuse zielen darauf ab, Kindern einen sichereren Einstieg in die mobile Kommunikation zu ermöglichen.
Ein bewusster Schritt zurück
Die ständige Präsenz von Smartphones im Alltag ist für die meisten Menschen zur Normalität geworden. Studien belegen jedoch zunehmend die negativen Folgen, die von Schlafstörungen bis hin zu verminderter kognitiver Leistungsfähigkeit reichen. Selbst die bloße Anwesenheit eines Smartphones im Raum kann die Konzentration beeinträchtigen.
Aus diesem Grund entscheiden sich immer mehr Menschen für eine digitale Entgiftung. Sie suchen nach Wegen, sich von der ständigen Flut an Benachrichtigungen und dem Druck der sozialen Medien zu befreien. Sogenannte „Dumbphones“ oder „Feature Phones“ – Mobiltelefone mit grundlegenden Funktionen – erleben dadurch eine Renaissance.
Was ist ein Dumbphone?
Ein „Dumbphone“, auch Feature Phone genannt, ist ein Mobiltelefon, das sich auf Kernfunktionen wie Anrufe und SMS beschränkt. Im Gegensatz zu Smartphones verfügen diese Geräte über keinen oder nur sehr eingeschränkten Zugang zum Internet, zu sozialen Medien oder App-Stores. Ihr Design ist oft robust und auf Langlebigkeit ausgelegt.
Online-Communitys und soziale Bewegungen wie #BringBackFlipPhones befeuern diesen Trend. Nutzer tauschen sich über Bezugsquellen für alte, nicht mehr produzierte Handys aus oder vergleichen die Spezifikationen aktueller, minimalistischer Modelle.
Der Markt für Einfachheit
Obwohl der globale Markt für Feature Phones langsam schrumpft, bleibt er bedeutend. Laut Yang Wang, Senior Analyst bei Counterpoint Research, machten diese Geräte im vergangenen Jahr etwa 15 % der weltweit verkauften Mobiltelefone aus. Das entspricht rund 210 Millionen Geräten mit einem Gesamtwert von 3,2 Milliarden US-Dollar.
Verkaufszahlen im Detail
Während der Großteil der Feature Phones in Entwicklungsländern verkauft wird, sind die Zahlen in westlichen Märkten geringer. Im letzten Jahr wurden nur 1,7 Millionen dieser Geräte in Nordamerika und 12 Millionen in Europa verkauft, hauptsächlich in Zentral- und Osteuropa.
In diesen entwickelten Märkten haben sich Nischenhersteller positioniert, die hochwertige Alternativen für eine anspruchsvolle Kundschaft anbieten. Diese Unternehmen reagieren auf einen Kulturwandel, der von dem Wunsch nach mehr Kontrolle über die eigene Zeit und Aufmerksamkeit geprägt ist.
Pioniere des digitalen Minimalismus
Einige der Gründer dieser Unternehmen haben ihre Produkte aus eigener Erfahrung heraus entwickelt. Sie waren selbst von der ständigen Erreichbarkeit und den Ablenkungen ihrer Smartphones betroffen.
Punkt: Schweizer Präzision für das Wesentliche
Petter Neby gründete das Schweizer Unternehmen Punkt im Jahr 2008, nachdem er seine eigene Abhängigkeit von seinem Blackberry erkannt hatte. „Ich war süchtig“, erklärt er. „Man will nur kurz eine Nachricht an seine Frau senden und schreibt plötzlich drei E-Mails. Das ist problematisch.“
„Punkt ist nicht hier, um das nächste Apple zu werden. Punkt ist hier, um eine Wahl zu bieten. Wir versuchen, auf das Unbehagen einer Branche zu reagieren.“
Das erste Modell, das MP01, kam 2015 auf den Markt und bot lediglich Anrufe, SMS und einige Grundfunktionen. Das aktuelle Modell, das MP02, kostet 299 US-Dollar. Punkt verkauft jährlich etwa 50.000 Geräte und spricht vor allem eine jüngere, männliche Zielgruppe in den Zwanzigern und Dreißigern an.
Light: Technologie gegen die Aufmerksamkeitsökonomie
Das Unternehmen Light wurde 2014 von Kaiwei Tang und Joe Hollier gegründet. Sie entwickelten ihre Idee in einem Kreativlabor von Google, wo sie von Unternehmern umgeben waren, die stolz auf die lange Nutzungsdauer ihrer Apps waren.
„Das Problem ist nicht das Gerät, es ist das Geschäftsmodell: die Aufmerksamkeitsökonomie“, sagt Tang. Der Light Phone wurde von Grund auf so konzipiert, dass er Nutzer nicht in endlose Feeds lockt. Er verfügt über ein minimalistisches, textbasiertes Schwarz-Weiß-Display, das die Nutzung bewusst „langweilig“ machen soll.
Das neueste Modell, das Light Phone III, kostet 699 US-Dollar und soll laut Tang eine Investition sein, um „Stunden an Zeit und Aufmerksamkeit zurückzugewinnen“. Weltweit nutzen über 100.000 Menschen die Geräte des Unternehmens.
Ein Mittelweg für die Zukunft
Während einige Hersteller auf radikale Reduktion setzen, suchen andere nach einem Kompromiss zwischen Einfachheit und Funktionalität. HMD Global, das Unternehmen hinter den modernen Nokia-Handys, verfolgt diesen Ansatz.
HMD Global: Klassiker und Kinderschutz
HMD Global verzeichnete zwischen 2022 und 2023 eine Verdopplung seiner Verkäufe von Klapphandys, angetrieben durch Social-Media-Trends. Neben der Wiederbelebung von Klassikern wie dem Nokia 3210 entwickelt das Unternehmen auch innovative Konzepte.
Im August wurde das HMD Fuse vorgestellt, ein Smartphone für Kinder. Eltern können die Funktionen des Geräts schrittweise freischalten, wenn ihr Kind älter wird. Standardmäßig sind alle Apps, einschließlich der Kamera, gesperrt.
Sicherheit durch KI
Ein zentrales Merkmal des HMD Fuse ist die Integration von HarmBlock, einer KI, die Nacktheit auf dem Bildschirm erkennt. Die von SafeToNet entwickelte Technologie wurde mit 22 Millionen Beispielen unangemessener Bilder trainiert. Sie kann die Kamera blockieren oder Inhalte in Browsern und Apps ausblenden, um Kinder zu schützen.
Adam Ferguson, Leiter des Produktmarketings bei HMD, erklärt: „Die Menschen sind unglaublich unzufrieden mit der Art und Weise, wie Geräte im Moment eingerichtet sind, und sie wollen eine Veränderung.“
Die Zukunft des Mobilfunkmarktes
Die Existenz dieser Nischenprodukte deutet auf eine zunehmende Diversifizierung des Mobilfunkmarktes hin. Petter Neby von Punkt erwartet eine stärkere „Fragmentierung“, bei der verschiedene Geräte für unterschiedliche Bedürfnisse entwickelt werden.
Es ist unwahrscheinlich, dass große Hersteller wie Apple oder Samsung selbst „dumme“ Telefone anbieten werden, da dies ihrem auf App-Nutzung und Datenerfassung basierenden Geschäftsmodell widerspricht. Dennoch könnten sie durch die steigende Nachfrage dazu bewegt werden, bestimmte Funktionen wie erweiterte Kindersicherungen zu übernehmen.
Für die Nischenanbieter ist das kein Widerspruch. Ihr Ziel ist es nicht, die Branchenriesen zu verdrängen, sondern den Verbrauchern eine bewusste Alternative zu bieten. Sie reagieren auf ein wachsendes Bedürfnis nach Kontrolle, Privatsphäre und einem gesünderen Umgang mit Technologie in einer zunehmend vernetzten Welt.





