Nach dem katastrophalen Start des Videospiels „MindsEye“ haben 93 aktuelle und ehemalige Mitarbeiter des Entwicklerstudios Build A Rocket Boy einen offenen Brief veröffentlicht. Darin erheben sie schwere Vorwürfe gegen die Geschäftsführung und beklagen langjährigen respektlosen Umgang, schlechte Arbeitsbedingungen und einen chaotischen Entlassungsprozess. Unterstützt werden sie von der britischen Gewerkschaft IWGB.
Wichtige Erkenntnisse
- 93 Mitarbeiter von Build A Rocket Boy unterzeichnen einen offenen Brief an die Studioleitung.
- Die Vorwürfe umfassen Missmanagement, unzumutbare Überstunden und fehlerhafte Entlassungen.
- Der Brief macht die Führung für den katastrophalen Start des Spiels „MindsEye“ verantwortlich.
- Schätzungsweise 250 bis 300 Mitarbeiter haben nach dem Scheitern des Spiels ihre Jobs verloren.
- Die Mitarbeiter fordern eine öffentliche Entschuldigung, eine angemessene Entschädigung und die Anerkennung ihrer Gewerkschaft.
Ein offener Brief gegen die Studioleitung
Die Entwickler des ambitionierten, aber gescheiterten Actionspiels „MindsEye“ machen ihrem Ärger Luft. In einem von 93 Personen unterzeichneten offenen Brief richten sie sich direkt an die Führungsebene von Build A Rocket Boy (BARB), namentlich an die CEOs Mark Gerhard und Leslie Benzies. Das Schreiben, das auch von der Gewerkschaft Independent Workers of Great Britain (IWGB) unterstützt wird, ist eine direkte Anklage gegen die Unternehmenskultur und das Management.
Der zentrale Vorwurf lautet, dass die Führung die jahrelange Erfahrung ihrer Mitarbeiter ignoriert habe. „Diese Entlassungen passierten, weil Sie sich wiederholt weigerten, auf die jahrelange Erfahrung Ihrer Belegschaft zu hören, was zu einem der schlimmsten Videospiel-Starts dieses Jahrzehnts führte“, heißt es in dem Brief. Dieser Mangel an Kooperation sei der Hauptgrund für das Scheitern des Projekts.
Hintergrund: Das gescheiterte Projekt „MindsEye“
„MindsEye“ war als Debütspiel von Build A Rocket Boy konzipiert und sollte den Grundstein für das geplante Metaverse-Projekt „Everywhere“ legen. Seit seiner Veröffentlichung litt das Spiel jedoch unter massiven technischen Problemen und erhielt vernichtende Kritiken. Die Konsequenzen waren weitreichend: Zwei Führungskräfte verließen das Unternehmen nur eine Woche vor dem Start, und der Publisher IO Interactive distanzierte sich öffentlich von dem Projekt.
Vorwürfe zu Arbeitsbedingungen und Überstunden
Der Brief beschreibt detailliert die belastenden Arbeitsbedingungen, insbesondere in den Monaten vor der Veröffentlichung von „MindsEye“. Die Mitarbeiter kritisieren einen Mangel an transparenter Kommunikation, der zu ständiger Unsicherheit führte. „Informationen waren spärlich und vage, und Sie haben oft radikale Änderungen an unserer Arbeitsweise vorgenommen, mit wenig oder gar keinem Input von den Betroffenen“, so die Verfasser.
Besonders gravierend war die Anordnung von verpflichtenden Überstunden in den vier Monaten vor dem Launch. Jeder Mitarbeiter musste wöchentlich acht zusätzliche Stunden leisten. Diese wurden zwar als Freizeitausgleich vergütet, jedoch zu einem reduzierten Satz: Für acht geleistete Überstunden gab es nur sieben Stunden gutgeschrieben.
Aufgrund fortlaufender Anfragen für zusätzliche, als „hochprioritär“ eingestufte Arbeit, sei es vielen Mitarbeitern unmöglich gewesen, diesen Ausgleich tatsächlich in Anspruch zu nehmen. Das Ergebnis waren laut dem Schreiben weitverbreiteter Burnout, gesundheitliche Probleme und eine Atmosphäre der permanenten Überlastung.
Fakten zu den Entlassungen
Nach dem misslungenen Start von „MindsEye“ leitete das Studio einen umfassenden Stellenabbau ein. Laut dem offenen Brief verloren zwischen 250 und 300 Mitarbeiter im gesamten Unternehmen ihre Arbeitsplätze. Dies entspricht einem erheblichen Teil der Belegschaft.
Chaotischer und fehlerhafter Entlassungsprozess
Ein weiterer Schwerpunkt der Kritik ist der Umgang mit den Massenentlassungen. Die Mitarbeiter werfen der Führung vor, den Prozess „konsequent schlecht gehandhabt“ zu haben, was bei den Betroffenen für Verwirrung und emotionalen Stress sorgte.
Die Liste der Fehler ist lang:
- Mitarbeiter erhielten Falschinformationen über den Prozess.
- Kündigungsschreiben wurden mit falschen Kündigungsfristen ausgestellt.
- Angestellte wurden falschen Teams zugeordnet, sodass ihre Leistung von Vorgesetzten bewertet wurde, die nicht für sie zuständig waren.
„Diese und andere Fehler haben möglicherweise zur unrechtmäßigen Entlassung von Dutzenden von Mitarbeitern geführt“, heißt es in dem Dokument. Die Unterzeichner beschreiben ihre Erfahrung im Unternehmen als eine von „Burnout, Arbeitsplatzunsicherheit, Gesundheitsproblemen und dem Scheitern eines Spiels, in das viele von uns Jahre ihres Lebens investiert haben“.
„Unsere Erfahrung im Unternehmen war eine von Burnout, Arbeitsplatzunsicherheit, Gesundheitsproblemen und dem Scheitern eines Spiels, in das viele von uns Jahre ihres Lebens investiert haben. BARB muss sich ändern.“ – Auszug aus dem offenen Brief.
Forderungen an die Geschäftsführung
Die Mitarbeiter und die Gewerkschaft haben klare Forderungen an die Unternehmensleitung formuliert. Sie verlangen nicht nur eine Aufarbeitung der Vergangenheit, sondern auch konkrete Schritte für die Zukunft.
- Eine öffentliche Entschuldigung für die Behandlung der Mitarbeiter sowie eine angemessene finanzielle Entschädigung für die Entlassenen.
- Die Wahlmöglichkeit für verbleibende Mitarbeiter, ihre Kündigungsfrist entweder zu arbeiten oder sich auszahlen zu lassen.
- Eine verbindliche und dokumentierte Anstrengung, die Arbeitsbedingungen und internen Prozesse zu verbessern, einschließlich der Anerkennung der IWGB als Gewerkschaft.
- Die Verpflichtung, zukünftige Entlassungen nur noch mithilfe externer, offizieller Partner durchzuführen, um eine faire Behandlung sicherzustellen.
Der Brief schließt mit einem direkten Appell an die CEOs: „Mark Gerhard und Leslie Benzies, Sie bezeichnen Ihre Mitarbeiter oft als ‚Familie‘. Aber wir bitten Sie zu überlegen: Behandeln Sie so wirklich Ihre eigene Familie?“
Stimmen von Gewerkschaft und ehemaligen Mitarbeitern
Die Gewerkschaft IWGB unterstützt die Mitarbeiter entschieden. Spring Mcparlin Jones, die Vorsitzende der IWGB Game Workers, nannte die Behandlung der Arbeiter bei Build A Rocket Boy „schockierend“. Sie sagte: „Sie wurden routinemäßig herabgewürdigt, betrogen und von dem Unternehmen manipuliert, dem sie Jahre ihres Lebens gewidmet haben.“
Scott Alsworth, PR-Beauftragter der Gewerkschaft, fügte hinzu, dass die Schuld eindeutig bei der Führung liege. „Der traurige finanzielle Zustand, in dem sich das Studio jetzt befindet, ist das unmissverständliche Ergebnis von schlechter Führung, Inkompetenz auf hoher Ebene und offener Verachtung.“
Auch ehemalige Mitarbeiter äußerten sich öffentlich. Ben Newbon beschrieb die „Gefühlskälte“ des Managements als „wirklich schrecklich“ und berichtete von „schrecklichen psychischen und sogar physischen Erkrankungen“ als Folge monatelanger Crunch-Phasen. Er kritisierte zudem, dass die Studioleitung die Verantwortung für das Scheitern des Spiels von sich wies und stattdessen „Saboteure“ verantwortlich machte – eine Anspielung auf frühere Aussagen von Co-CEO Mark Gerhard, der behauptet hatte, die negative Reaktion auf das Spiel sei Teil einer bezahlten Kampagne gegen das Studio gewesen.





