Sony und Microsoft vollziehen einen fundamentalen Strategiewechsel in der Gaming-Branche. Statt sich auf den Verkauf exklusiver Hardware zu konzentrieren, veröffentlichen beide Unternehmen ihre Spiele zunehmend auf konkurrierenden Plattformen. Dieser Wandel markiert das Ende der traditionellen „Konsolenkriege“ und deutet auf eine Zukunft hin, in der Software über Hardware dominiert.
Die Veröffentlichung von PlayStation-Spielen auf der Xbox und umgekehrt war lange undenkbar. Heute ist es Realität und zeigt, dass die Unternehmen ihre Geschäftsmodelle neu ausrichten, um ein breiteres Publikum zu erreichen und die Einnahmen aus dem Softwareverkauf zu maximieren.
Wichtige Erkenntnisse
- Sony und Microsoft verlagern ihren Fokus vom reinen Hardware-Verkauf auf eine plattformübergreifende Softwarestrategie.
- Exklusive Spiele, einst das wichtigste Verkaufsargument für eine Konsole, erscheinen nun auch auf Konkurrenzplattformen und dem PC.
- Der technische Wandel hin zu einer PC-ähnlichen Architektur (x86) bei Konsolen hat diesen Schritt erleichtert.
- Die Zukunft von PlayStation und Xbox liegt in ihren Ökosystemen und Spieldiensten, nicht mehr allein in der physischen Konsole.
Der Wandel weg von der Hardware
Die Ära der sogenannten „Konsolenkriege“, in der Spieler sich für eine Seite entscheiden mussten, neigt sich dem Ende zu. Jahrzehntelang war das Ziel von Sony und Microsoft, möglichst viele Konsolen in die Wohnzimmer zu bringen. Ein exklusives Spiel wie Final Fantasy VII für die PlayStation oder Halo für die Xbox war oft der entscheidende Kaufgrund.
Diese Strategie schuf ein sich selbst verstärkendes System: Mehr verkaufte Konsolen führten zu mehr Spieleverkäufen, was wiederum mehr Entwickler anzog und die Plattform für Spieler noch attraktiver machte. Doch die Grundlagen dieses Modells haben sich verändert.
Eine neue Geschäftsphilosophie
Führungskräfte beider Unternehmen bestätigen den Strategiewechsel offen. Im August erklärte Sadahiko Hayakawa, Senior Vice President bei Sony, gegenüber Investoren, dass sich das Unternehmen von einem hardwarezentrierten Geschäftsmodell entfernt. Stattdessen strebe man ein Plattformgeschäft an, das die Community erweitert und das Engagement erhöht.
„Im Gaming-Geschäft bewegen wir uns von einem hardwarezentrierten Geschäftsmodell weg, hin zu einem Plattformgeschäft, das die Community erweitert und das Engagement steigert.“ – Sadahiko Hayakawa, Sony SVP
Auch Microsoft verfolgt mit seiner „Jeder Bildschirm ist eine Xbox“-Strategie einen ähnlichen Ansatz. Da die Verkaufszahlen der physischen Xbox-Konsolen hinter den Erwartungen zurückblieben, sucht das Unternehmen nach neuen Wegen, um seine Spiele und den Game Pass-Dienst einem breiteren Publikum zugänglich zu machen.
Spiele überwinden Plattformgrenzen
Die deutlichsten Anzeichen für diesen Wandel sind die jüngsten Veröffentlichungen. Sony brachte mit Helldivers 2 sein erstes Spiel auf der Xbox heraus, wo es sich prompt an die Spitze der Verkaufscharts setzte. Gleichzeitig eroberten Xbox-Spiele im März die Vorbesteller-Charts der PlayStation.
Diese Schritte wären vor wenigen Jahren noch undenkbar gewesen. Sie zeigen, dass beide Unternehmen erkannt haben, dass der Verkauf von Software auf möglichst vielen Plattformen profitabler ist, als Kunden an eine bestimmte Hardware zu binden.
Zahlen belegen den Trend
Sony hat angekündigt, bis 2025 die Hälfte seiner Spieleveröffentlichungen auf dem PC oder auf mobilen Geräten zu platzieren. Dies reduziert den Anteil der reinen Konsolenspiele drastisch und unterstreicht die neue, plattformunabhängige Ausrichtung.
Auch sogenannte „zeitexklusive“ Titel verlieren an Bedeutung. Microsofts Indiana Jones and the Great Circle erschien nur vier Monate nach dem Start auf der PS5. Das Remaster von Gears of War, einer der bekanntesten Xbox-Marken, wurde sogar zeitgleich für PlayStation, Xbox und PC veröffentlicht.
Technische Grundlagen für den Wandel
Ein entscheidender Faktor, der diese Entwicklung ermöglichte, war die technische Vereinheitlichung der Konsolenhardware. Seit der PlayStation 4 und der Xbox One setzen beide Hersteller auf eine x86-Architektur von AMD, die der von Windows-PCs sehr ähnlich ist.
Diese Umstellung war eine direkte Lehre aus der Ära der PlayStation 3. Deren exotische Cell-Architektur war für Entwickler extrem kompliziert und führte zu Frustration in der Branche. Heute erleichtern die gemeinsame technische Basis und plattformübergreifende Spiel-Engines wie Unreal und Unity die gleichzeitige Entwicklung für verschiedene Systeme erheblich.
Was bedeutet das für die Zukunft der Konsolen?
Obwohl die Bedeutung der Hardware abnimmt, wird die Konsole als physisches Gerät nicht verschwinden. Für viele Spieler bleibt sie die einfachste und bequemste Möglichkeit, ins Gaming einzusteigen: kaufen, anschließen und spielen. Cloud-Gaming-Dienste sind zwar technisch beeindruckend, können diese unkomplizierte Erfahrung bisher aber nicht ersetzen.
Die Identität von PlayStation und Xbox wird sich jedoch verändern. Es geht nicht mehr primär um die Box unter dem Fernseher, sondern um das Ökosystem dahinter – die Benutzeroberfläche, die Spieledienste und die Community.
Nintendos Sonderweg
Nintendo bleibt die große Ausnahme in diesem Trend. Das Unternehmen hält erfolgreich am traditionellen Modell fest, bei dem exklusive Spiele den Kauf der eigenen Hardware vorantreiben. Der Grund dafür ist die einzigartige Stärke seiner Marken wie Mario, Zelda und Pokémon, die es dem Unternehmen ermöglichen, sowohl mit der Software als auch mit jeder verkauften Konsole Gewinn zu erzielen.
Die Konsole als spezialisierter PC
Zukünftige Konsolengenerationen könnten sich noch stärker an PCs annähern. Microsoft hat bereits eine neue Xbox angekündigt, die den „größten technischen Sprung in einer Hardware-Generation“ darstellen soll. Gerüchte deuten darauf hin, dass es sich dabei um eine Reihe von Geräten handeln könnte, die auf Windows basieren und PC-Spiele direkt ausführen können.
Ein solcher Schritt würde es Microsoft ermöglichen, sich auf seine Stärken als Softwarehersteller, Betriebssystemanbieter und Cloud-Dienstleister zu konzentrieren, anstatt verlustbringende Hardware zu produzieren. Die Zusammenarbeit mit Asus bei der Entwicklung des Handheld-PCs Xbox Ally X ist ein möglicher Vorbote dieser Entwicklung.
Auch bei Sony gibt es Anzeichen für eine ähnliche Richtung. Ein neuer Energiesparmodus für die PS5 klingt so, als sei er dafür konzipiert, die Leistung von Spielen flexibel zu skalieren – eine typische Eigenschaft von PC-Spielen. Ein zukünftiger PlayStation-Handheld, der PS5-Spiele unterwegs abspielen kann, würde von einer solchen Technologie direkt profitieren.
Ein neues Kapitel für die Gaming-Industrie
Die Transformation ist bereits in vollem Gange. Sony und Microsoft definieren neu, was eine Spielkonsole ist. Die Hardware bleibt vorerst der Einstiegspunkt in ihre jeweiligen Ökosysteme, aber sie ist nicht mehr das alleinige Zentrum des Geschäfts.
Die Zukunft gehört den Spielen selbst und der Möglichkeit, sie überall und auf jedem Gerät zu spielen. Für Spieler bedeutet dies mehr Auswahl und weniger Barrieren. Für die Unternehmen bedeutet es den Zugang zu einem globalen Markt, der weit über die Besitzer ihrer eigenen Konsolen hinausgeht. Der Fokus hat sich endgültig von der „Station“ und der „Box“ auf das Spiel verlagert.





