Die globale Raumfahrtindustrie befindet sich in einer Phase intensiven Wachstums. Während Amazon sein Kuiper-Satellitennetzwerk mit hoher Geschwindigkeit ausbaut, wächst in den USA die Sorge über Chinas schnelle Fortschritte bei wiederverwendbaren Raketen. Gleichzeitig schreiten die Vorbereitungen für bemannte Mondmissionen wie Artemis II voran und Europa arbeitet an eigenen wiederverwendbaren Trägersystemen.
Diese Entwicklungen verdeutlichen den zunehmenden Wettbewerb und die strategische Bedeutung des Zugangs zum Weltraum. Von kommerziellen Satellitenkonstellationen bis hin zu militärischen und wissenschaftlichen Missionen steigt die Nachfrage nach zuverlässigen und kosteneffizienten Startkapazitäten weltweit.
Wichtige Erkenntnisse
- Amazon beschleunigt den Aufbau seiner Kuiper-Konstellation mit Starts auf Atlas-V- und Falcon-9-Raketen.
- US-Militärvertreter äußern Besorgnis über Chinas rasante Entwicklung wiederverwendbarer Raketentechnologie.
- Europa macht mit dem Themis-Prototyp Fortschritte bei der Entwicklung eigener wiederverwendbarer Raketen.
- NASA plant den Start der bemannten Artemis-II-Mondmission für Anfang 2026.
- Blue Origin erhält einen NASA-Auftrag zur Lieferung des VIPER-Rovers zum Mond.
Der Wettlauf um wiederverwendbare Raketen
Die Nachfrage nach Startkapazitäten für Satelliten übersteigt weiterhin das Angebot, obwohl Unternehmen wie SpaceX in diesem Jahr voraussichtlich über 150 Starts durchführen werden. Große Satelliten-Megakonstellationen, militärische Projekte und das Bestreben vieler Nationen nach einem souveränen Zugang zum All treiben den Bedarf an.
US-Sorge vor Chinas Aufholjagd
Vertreter der US Space Force haben ihre Besorgnis über die Geschwindigkeit geäußert, mit der chinesische Unternehmen wiederverwendbare Raketentechnologie entwickeln. Brigadegeneral Brian Sidari, stellvertretender Leiter der Weltraumoperationen für den Nachrichtendienst, bezeichnete die Fortschritte Chinas als „besorgniserregend“.
Die Dominanz von SpaceX bei wiederverwendbaren Raketen gilt als wichtiger strategischer Vorteil für die USA. Während die USA in diesem Jahr bereits 145 orbitale Starts verzeichneten, von denen 122 auf die wiederverwendbare Falcon 9 von SpaceX entfielen, erreichte China mit 56 Starts und 14 verschiedenen Raketentypen eine deutlich geringere Frequenz. Eine erfolgreiche wiederverwendbare chinesische Rakete könnte dieses Verhältnis schnell verändern.
Europas Fortschritte mit Themis
Auch Europa arbeitet intensiv an der Entwicklung eigener wiederverwendbarer Raketentechnologie. Die ArianeGroup hat kürzlich die Integration des Prototyps Themis auf einer Startrampe in Schweden abgeschlossen. Dieses Testvehikel soll Technologien für die vertikale Landung von Raketenstufen erproben.
Erste „Hop-Tests“ in geringer Höhe könnten noch in diesem oder im nächsten Jahr beginnen. Laut ArianeGroup markiert dieser Schritt den Beginn kombinierter Tests, bei denen die Schnittstellen zwischen der Rakete und den Systemen der Startrampe geprüft werden. Die Erkenntnisse aus dem Themis-Programm sollen in die Entwicklung zukünftiger wiederverwendbarer Raketen einfließen, die eines Tages die Ariane 6 ablösen sollen.
Hintergrund: Die Bedeutung der Wiederverwendbarkeit
Wiederverwendbare Raketenstufen, wie sie von SpaceX erfolgreich eingesetzt werden, senken die Startkosten drastisch und ermöglichen eine deutlich höhere Startfrequenz. Anstatt nach jedem Flug eine komplett neue Rakete zu bauen, können die teuersten Komponenten mehrfach verwendet werden. Dies ist ein entscheidender Faktor im globalen Wettbewerb um den Zugang zum Weltraum.
Kommerzielle Raumfahrt im Fokus
Der private Sektor treibt die Innovationen in der Raumfahrt maßgeblich voran. Insbesondere der Aufbau großer Satellitennetzwerke sorgt für eine hohe Auslastung der verfügbaren Trägerraketen.
Amazon baut Kuiper-Netzwerk aus
Amazon hat kürzlich weitere 27 Satelliten für sein Breitband-Internetprojekt Project Kuiper mit einer Atlas-V-Rakete von United Launch Alliance (ULA) gestartet. Damit befinden sich nun 129 Kuiper-Satelliten im Orbit. Die geplante Konstellation soll insgesamt 3.232 Satelliten umfassen.
Der Ausbau schreitet schnell voran. Ein weiterer Start mit 24 Satelliten an Bord einer Falcon-9-Rakete von SpaceX ist bereits für den 30. September geplant. Amazon hat bereits genügend Satelliten nach Florida geliefert, um noch in diesem Herbst einen weiteren Start durchzuführen.
Firefly plant Rückkehr der Alpha-Rakete
Firefly Aerospace plant die Wiederaufnahme der Starts seiner Alpha-Rakete in den „kommenden Wochen“. Noch vor Jahresende sollen zwei Flüge stattfinden. Dies wären die ersten Starts seit einem Fehlschlag im April, bei dem ein Technologie-Demonstrationssatellit von Lockheed Martin zerstört wurde.
Für Firefly sind erfolgreiche Missionen von entscheidender Bedeutung. Die Alpha-Rakete hat bisher eine gemischte Bilanz mit nur zwei vollständig erfolgreichen Flügen bei sechs Versuchen. Das Unternehmen, das kürzlich an die Börse ging, benötigt verlässliche Erfolge, um das Vertrauen von Kunden und Investoren zu stärken.
Kontroverse um Astra-CEO
Chris Kemp, CEO des Raketenbauers Astra, sorgte bei einem Symposium mit scharfen Äußerungen über Konkurrenten für Aufsehen. Er kritisierte unter anderem die Arbeits- und Lebensbedingungen bei SpaceX in Starbase, Texas, und bezeichnete die von Firefly Aerospace gelieferten Raketentriebwerke als „Müll“.
„Es macht mehr Spaß als bei SpaceX, weil wir nicht an der Grenze zu Mexiko sind, wo sie dir den Kopf abschlagen, wenn du versehentlich falsch abbiegst.“ – Chris Kemp, CEO von Astra
Solche Kommentare sind in der Branche unüblich und wurden angesichts der eigenen durchwachsenen Startbilanz und finanziellen Lage von Astra als besonders schroff wahrgenommen.
Staatliche und militärische Missionen
Neben kommerziellen Aktivitäten bleiben staatliche und militärische Akteure wichtige Auftraggeber für die Raumfahrtindustrie. Sie legen besonderen Wert auf Zuverlässigkeit und einen gesicherten Zugang zum All.
US Navy testet Trident-Raketen
Die US-Marine führte zwischen dem 17. und 21. September vier geplante Tests mit unbewaffneten Trident II D5 Life Extension (D5LE) Raketen durch. Die Starts erfolgten von einem getauchten U-Boot der Ohio-Klasse vor der Küste Floridas. Laut einer Mitteilung der Navy dienten die Tests der Überprüfung der Systemzuverlässigkeit und standen in keinem Zusammenhang mit aktuellen weltpolitischen Ereignissen.
Das nukleare Triad der USA
Das Trident-System ist eine der drei Säulen der nuklearen Abschreckungsstrategie der USA. Die anderen beiden sind landgestützte Interkontinentalraketen (Minuteman) und strategische Bomber, die Atomwaffen tragen können.
Bundeswehr setzt auf Ariane 6
Arianespace hat einen Vertrag über den Start von zwei Kommunikationssatelliten des Typs SATCOMBw-3 für die Bundeswehr erhalten. Die Satelliten werden von Airbus Defence and Space gebaut und sollen mit zwei Ariane-6-Raketen ins All gebracht werden. Dieser Vertrag unterstreicht das Ziel des Ariane-6-Programms, Europa einen unabhängigen Zugang zum Weltraum zu garantieren.
Nachdem in den letzten Jahren mehrere europäische Militär- und Regierungssatelliten aufgrund von Verzögerungen bei der Ariane 6 auf Falcon-9-Raketen von SpaceX ausweichen mussten, scheint das Vertrauen in die neue europäische Trägerrakete nach drei erfolgreichen Flügen wiederhergestellt zu sein.
Zukunftsprojekte: Mond und Mars
Die langfristigen Ziele der Raumfahrt konzentrieren sich zunehmend auf die Erkundung des Mondes und des Mars, sowohl mit Robotern als auch mit Menschen.
Artemis II startet voraussichtlich im Februar 2026
Die NASA treibt die Vorbereitungen für die Artemis-II-Mission voran, den ersten bemannten Flug über die erdnahe Umlaufbahn hinaus seit über 50 Jahren. Als Startfenster wird derzeit der 5. Februar 2026 anvisiert. Die vierköpfige Besatzung – Reid Wiseman, Victor Glover, Christina Koch und Jeremy Hansen – wird den Mond umrunden und zur Erde zurückkehren. Das Orion-Raumschiff, mit dem sie fliegen, wurde auf den Namen „Integrity“ getauft.
Blue Origin soll NASA-Rover zum Mond bringen
Die NASA hat Blue Origin einen Auftrag im Wert von bis zu 190 Millionen US-Dollar erteilt, um den Rover VIPER (Volatiles Investigating Polar Exploration Rover) zum Mond zu bringen. Der Rover soll Ende 2027 mit einem Blue Moon MK1 Lander in der Nähe des Mondsüdpols abgesetzt werden. Die Mission war zuvor aufgrund von Kostenüberschreitungen gestrichen worden, wurde aber nach Protesten aus der Wissenschaftsgemeinde wiederbelebt. Die endgültige Entscheidung über den Start hängt unter anderem vom Erfolg des ersten Testflugs des Blue Moon Landers im nächsten Jahr ab.
Zweiter Flug der New Glenn verzögert sich
Der zweite Start der Schwerlastrakete New Glenn von Blue Origin wird sich weiter verzögern. Die Mission, die die NASA-Kleinsatelliten ESCAPADE zum Mars bringen soll, wird nun für Ende Oktober oder Anfang November erwartet. Ursprünglich war der Start für den 29. September geplant. Ein erfolgreicher Flug der New Glenn ist entscheidend für Blue Origins Pläne, eine wichtige Rolle im Markt für schwere Trägerraketen zu spielen.





