Eine neue App namens Neon Mobile sorgt für Aufsehen, indem sie Nutzern Geld dafür bezahlt, ihre Telefongespräche aufzuzeichnen. Die gesammelten Audiodaten werden anonymisiert und an Unternehmen verkauft, die künstliche Intelligenz trainieren. Trotz erheblicher Datenschutzbedenken ist die Anwendung schnell in den App-Store-Charts aufgestiegen.
Wichtige Erkenntnisse
- Die App Neon Mobile bezahlt Nutzer für die Aufzeichnung ihrer Telefongespräche.
- Die gesammelten Audiodaten werden zum Training von KI-Modellen an Unternehmen verkauft.
- Die App verzeichnete einen rasanten Anstieg und erreichte Platz 2 der Social-Apps im US-App-Store.
- Experten äußern ernsthafte Bedenken hinsichtlich des Datenschutzes und unklarer Nutzungsbedingungen.
Ein umstrittenes Geschäftsmodell
Das Konzept von Neon Mobile ist einfach: Nutzer führen ihre Telefonate über die App und erlauben dem Unternehmen, diese aufzuzeichnen. Im Gegenzug erhalten sie eine finanzielle Vergütung. Das Unternehmen argumentiert, dass Tech-Konzerne ohnehin von Nutzerdaten profitieren und Neon den Nutzern lediglich ihren gerechten Anteil auszahlt.
Mit diesem Ansatz positioniert sich Neon als eine Plattform, die es Einzelpersonen ermöglicht, ihre eigene Privatsphäre zu monetarisieren. Die gesammelten Gesprächsdaten werden nach Angaben des Unternehmens verarbeitet, um persönliche Informationen zu entfernen, und anschließend als Trainingsmaterial für KI-Systeme verkauft.
Die Vergütung für Nutzerdaten
Neon bietet ein klares Anreizsystem, um Nutzer zur Teilnahme zu bewegen. Das Vergütungsmodell ist gestaffelt und soll eine regelmäßige Nutzung fördern.
Vergütungsstruktur von Neon
- 0,15 US-Dollar pro Minute für Anrufe an Personen, die die App nicht nutzen.
- 0,30 US-Dollar pro Minute für Anrufe zwischen zwei Neon-Nutzern.
- Die tägliche Verdienstgrenze liegt laut Unternehmensangaben bei bis zu 30 US-Dollar.
Diese Beträge können sich über das Jahr summieren und laut Marketingmaterialien des Unternehmens Hunderte oder sogar Tausende von Dollar erreichen. Dies stellt für viele einen attraktiven Nebenverdienst dar, der jedoch mit der Preisgabe privater Gespräche bezahlt wird.
Rascher Aufstieg in den App-Charts
Der finanzielle Anreiz scheint zu wirken. Die App erlebte einen bemerkenswerten Anstieg in den Download-Charts des US-App-Stores. Dieser schnelle Erfolg unterstreicht das Interesse an Modellen, bei denen Nutzer direkt für ihre Daten entlohnt werden.
Laut Berichten von TechCrunch war die App am 18. September noch auf Platz 476 in der Kategorie „Soziales Netzwerk“. Innerhalb weniger Tage sprang sie auf Platz 10 und erreichte schließlich eine Spitzenposition als sechstbeliebteste App in ihrer Kategorie. Zeitweise war sie sogar die am zweithäufigsten heruntergeladene Social-App.
Funktionsweise und Datenschutzversprechen
Die Datenerfassung bei Neon folgt spezifischen Regeln. Wenn ein Nutzer eine Person anruft, die die App nicht installiert hat, wird laut Neon nur die Audiospur des Neon-Nutzers aufgezeichnet. Führen jedoch zwei Neon-Nutzer ein Gespräch, werden beide Seiten des Anrufs erfasst, sofern der Anruf über die App initiiert wurde.
Das Unternehmen betont, dass seine Technologie darauf ausgelegt ist, persönliche Daten automatisch herauszufiltern. Namen, Adressen, Telefonnummern und andere sensible Informationen sollen vor dem Verkauf der Daten an Dritte entfernt werden.
Der Markt für KI-Trainingsdaten
Unternehmen, die große Sprachmodelle (LLMs) und andere KI-Systeme entwickeln, benötigen riesige Mengen an Daten, um ihre Algorithmen zu trainieren. Authentische menschliche Gespräche sind dabei besonders wertvoll, da sie natürliche Sprachmuster, Intonationen und Kontexte enthalten. Dienste wie Neon bedienen direkt diesen wachsenden Bedarf.
Erhebliche Bedenken von Experten
Trotz der Popularität der App warnen Datenschutzexperten und Juristen vor erheblichen Risiken. Die Vorgehensweise von Neon wirft grundlegende Fragen zur Privatsphäre und zur Einwilligung auf.
Unklare Formulierungen in den Bedingungen
Ein zentraler Kritikpunkt sind die vagen Formulierungen in den Nutzungsbedingungen. Peter Jackson, ein auf Cybersicherheit und Datenschutz spezialisierter Anwalt, äußerte gegenüber TechCrunch Bedenken bezüglich der Aussage über „einseitige Transkripte“.
„Die Sprache rund um ‚einseitige Transkripte‘ klingt, als könnte es ein Umweg sein, um zu sagen, dass Neon die Anrufe der Nutzer vollständig aufzeichnet, aber möglicherweise nur das, was die andere Partei gesagt hat, aus dem endgültigen Transkript entfernt.“
Diese Unklarheit lässt Raum für Interpretationen und könnte bedeuten, dass mehr Daten erfasst werden, als die Nutzer annehmen. Zudem scheinen die allgemeinen Geschäftsbedingungen dem Unternehmen weitreichende Rechte zur Nutzung der gesammelten Daten einzuräumen.
Die Aufzeichnung endet nicht mit der Deinstallation
Ein besonders problematischer Aspekt findet sich in der Datenschutzrichtlinie. Das bloße Löschen der Neon-App vom Smartphone beendet die Datenerfassung nicht vollständig. Wenn ein anderer Neon-Nutzer eine Person anruft, die die App zwar gelöscht, aber ihr Konto nicht geschlossen hat, kann der Anruf weiterhin aufgezeichnet werden.
Um die Aufzeichnung vollständig zu unterbinden, müssen Nutzer ihr Konto aktiv in den Profileinstellungen der App schließen. Dieser Mechanismus ist für viele Nutzer nicht intuitiv und könnte dazu führen, dass Gespräche ohne deren aktuelles Wissen und Einverständnis erfasst werden.
Fazit: Ein fragwürdiger Tausch
Neon Mobile steht an der Spitze eines wachsenden Trends, bei dem Nutzer für ihre Daten bezahlt werden. Das Modell ist verlockend, da es eine direkte finanzielle Gegenleistung für Informationen bietet, die ohnehin oft von Technologieunternehmen genutzt werden.
Allerdings findet dieser Tausch in einer rechtlichen und ethischen Grauzone statt. Die vagen Versprechen zur Anonymisierung, die unklaren Nutzungsbedingungen und die fortgesetzte Datenerfassung nach der App-Deinstallation stellen erhebliche Risiken für die Privatsphäre dar. Nutzer sollten sich bewusst sein, dass der Preis für ein paar hundert Dollar pro Jahr die unwiderrufliche Weitergabe ihrer privaten Gespräche sein könnte.





