Der bekannte Fahrrad-Individualisierer Gustav Gullholm, besser bekannt als Dangerholm, hat in Zusammenarbeit mit FactionBike Studio ein neuartiges Laufradkonzept vorgestellt. Auf der Fahrradmesse Bespoked in Dresden wurden Prototypen von ultrabreiten Aero-Laufrädern für Gravel-Bikes präsentiert, die die Grenzen der aktuellen Technologie verschieben sollen.
Das Projekt zielt darauf ab, die aerodynamische Effizienz für immer breiter werdende Gravel-Reifen zu optimieren. Während sich die Reifenbreiten von 40 mm auf über 50 mm erhöht haben, stagnierte die Entwicklung der Felgenbreiten. Dieses Konzept stellt diesen Status quo in Frage.
Wichtige Fakten
- Vorstellung eines Prototyps für ultrabreite Aero-Gravel-Laufräder.
- Entwickelt von Gustav „Dangerholm“ Gullholm in Kooperation mit FactionBike Studio.
- Die Felgen weisen eine Innenbreite von 45 mm und eine Außenbreite von 52 mm auf.
- Das Design ist für die aerodynamische Optimierung mit breiten Reifen (50-57 mm) ausgelegt.
- Präsentation erfolgte auf der Bespoked-Messe in Dresden auf zwei Custom-Bikes.
Ein radikal neues Felgenkonzept
Die Fahrradindustrie hat in den letzten Jahren einen klaren Trend zu breiteren Reifen im Gravel-Segment erlebt. Fahrer nutzen zunehmend Reifenbreiten von 45 mm, 50 mm oder sogar bis zu 57 mm, um auf anspruchsvollem Terrain mehr Komfort und Traktion zu erzielen. Die Felgenhersteller haben auf diese Entwicklung reagiert, jedoch nur bis zu einer gewissen Grenze.
Gustav Gullholm stellte fest, dass die meisten Gravel-Felgen bei einer Innenbreite von etwa 32 bis 35 mm enden. Seiner Ansicht nach ist dies nicht ausreichend, um die aerodynamischen und fahrtechnischen Vorteile breiterer Reifen vollständig auszuschöpfen. Aus dieser Überlegung entstand die Zusammenarbeit mit FactionBike Studio, um ein Laufrad zu entwickeln, das speziell für diese neuen Anforderungen konzipiert ist.
Technische Daten des Prototyps
- Innenbreite: 45 mm
- Außenbreite: 52 mm
- Felgentiefe: Variabel, maximal 70 mm
- Konstruktion: Zweiteiliger Aufbau aus Carbon
- Reifenkompatibilität: Optimiert für 29-Zoll-Reifen mit 2.0 bis 2.25 Zoll Breite (ca. 50-57 mm)
Das Ziel des Projekts ist es, einen nahtlosen Übergang zwischen Felge und Reifen zu schaffen. Laut aerodynamischen Prinzipien reduziert eine solche glatte Verbindung den Luftwiderstand erheblich, was besonders bei hohen Geschwindigkeiten auf Schotterpisten von Vorteil sein kann.
Die Konstruktion der Prototypen
Die auf der Bespoked-Messe gezeigten Laufräder sind fahrbereite Prototypen, von denen aktuell nur vier Felgen existieren. Ihre Konstruktion ist ein zweiteiliger Prozess, der speziell für dieses Konzept entwickelt wurde.
Die Basis bildet eine herkömmliche, flache Mountainbike-Felge aus Carbon, die die hakenlose (hookless) Innenbreite von 45 mm vorgibt. An dieser inneren Struktur wird eine äußere aerodynamische Verkleidung aus Carbon angebracht. Dieses von FactionBike Studio's LX Lab gefertigte Teil erzeugt das wellenförmige und bis zu 70 mm tiefe Profil, das den Luftstrom um den breiten Reifen leiten soll.
Hintergrund: Die Regel der 105
In der Aerodynamik von Fahrrädern gilt oft die „Regel der 105“. Sie besagt, dass die Felge an ihrer breitesten Stelle mindestens 105 % der Breite des Reifens haben sollte, um einen optimalen Luftstrom zu gewährleisten. Bei einem 57 mm breiten Reifen würde dies eine Felgenbreite von fast 60 mm erfordern – ein Wert, den das Dangerholm-Faction-Konzept mit seinen 52 mm annähert.
Diese spezielle Bauweise erklärt auch die großen Öffnungen in der Aero-Verkleidung. Sie sind notwendig, damit die Speichen zur inneren Felge geführt und an den dort sitzenden Nippeln befestigt werden können. Ein Nachteil dieses Prototypen-Aufbaus ist das hohe Gewicht. Dangerholm, der für seine extrem leichten Fahrrad-Aufbauten bekannt ist, wollte keine genauen Angaben zum Gewicht machen, da eine zukünftige Serienproduktion als einteilige Carbonfelge deutlich leichter ausfallen würde.
„Das Ziel dieses Projekts ist es, das Interesse an breiteren Felgen zu wecken, anstatt zu behaupten, dies sei die ultimative aerodynamische Lösung.“
Obwohl noch keine Windkanal-Daten vorliegen, ist die theoretische Grundlage vielversprechend. Die Form wurde aus etwa acht verschiedenen aerodynamischen Konzepten ausgewählt. Gustav Gullholm selbst ist von den Fahreigenschaften so überzeugt, dass er trotz des Gewichtsnachteils nicht mehr zu schmaleren Gravel-Felgen zurückkehren möchte.
Die Custom-Bikes zur Präsentation
Um das Potenzial der ultrabreiten Laufräder zu demonstrieren, verbaute Dangerholm sie an zwei einzigartigen Custom-Bikes, die er zusammen mit seinem Partner, dem Dresdner Onlineshop R2, auf der Messe ausstellte.
1. Das vollgefederte Gravel-Bike: Scott Spark RC
Das erste Rad basiert auf einem Scott Spark RC, einem Cross-Country-Mountainbike mit 120 mm Federweg vorne und hinten. Dangerholm baute es zu einem Gravel-Bike um, indem er einen Rennlenker montierte. Das Ergebnis ist ein Rad, das die Grenzen zwischen den Kategorien verschwimmen lässt und von ihm als „Technically A Gravel Bike“ bezeichnet wird.
- Fahrwerk: RockShox SID Ultimate mit Flight Attendant Automatik-System.
- Cockpit: Integrierte Darimo Nexum Lenker-Vorbau-Einheit mit ausgestellten Lenkerenden.
- Antrieb: SRAM Force AXS Xplr Gruppe mit einem speziellen 46-Zähne-Kettenblatt von Garbaruk.
- Naben: Ultraleichte Extralite HyperSmart3+ Naben.
Trotz des Fokus auf das Laufradkonzept zeigt sich Dangerholms Liebe zum Detail in vielen leichten Komponenten, wie einem Mcfk Carbonsattel und einer Darimo T1 Loop Sattelstütze, die nur 90 Gramm wiegt.
2. Der Aero-Hardtail-Umbau: Scott Scale + Foil
Das zweite Fahrrad ist eine noch radikalere Kreation, eine Mischung aus einem Scott Scale Hardtail-Mountainbike und einem Scott Foil Aero-Rennrad. Um eine aerodynamische Sattelstütze zu verbauen, wurde der Sitzrohrbereich eines beschädigten Foil-Rahmens abgetrennt und auf den Scale-Rahmen laminiert.
Ein lokaler Carbon-Reparaturspezialist verband die Teile zu einer stabilen und fahrbaren Einheit. Das Ergebnis ist ein einzigartiges Aero-Gravel-Bike mit massiver Reifenfreiheit.
- Rahmen: Modifizierter Scott Scale Rahmen mit integriertem Scott Foil Sitzrohr.
- Sattelstütze: Syncros Duncan SL Aero CFT mit integriertem Rücklicht.
- Antrieb: SRAM Red Xplr Gruppe.
- Kurbel: Neue, ultraleichte und CNC-gefräste Titankurbeln von Wert (292 g ohne Kettenblatt).
Dieses Rad unterstreicht den Aero-Anspruch des Projekts und kombiniert ihn mit extrem leichten und exklusiven Komponenten. Die Wert-Titankurbel ist das Ergebnis eines über ein Jahrzehnt dauernden Entwicklungsprojekts und nun erstmals käuflich zu erwerben.
Zukunft und Ausblick
Das Projekt von Dangerholm und FactionBike Studio ist derzeit noch ein Konzept. Es dient als Denkanstoß und Provokation für die Fahrradindustrie, die Entwicklung von Gravel-Laufrädern neu zu überdenken. Die Resonanz auf der Bespoked-Messe war groß und es bleibt abzuwarten, ob etablierte Hersteller die Idee aufgreifen werden.
Die wachsende Beliebtheit von anspruchsvollen Gravel-Rennen und Bikepacking-Abenteuern schafft einen Markt für Produkte, die sowohl Geschwindigkeit auf flachen Abschnitten als auch Kontrolle und Komfort auf rauem Untergrund bieten. Ultrabreite Aero-Felgen könnten ein wichtiger Baustein für die nächste Generation von Hochleistungs-Gravel-Bikes sein.





