Ein freiberuflicher Texter hat ein Bewerbungsgespräch abgelehnt, nachdem er erfuhr, dass es von einer Künstlichen Intelligenz geführt werden sollte. Der Vorfall löste eine Debatte über den Einsatz von Technologie im Personalwesen aus und wirft die Frage auf, wo die Grenze zwischen Effizienz und menschlicher Interaktion verläuft.
Das Wichtigste in Kürze
- Ein Bewerber lehnte ein KI-gesteuertes Interview ab, da er es als respektlos empfand.
- Personalexperten warnen, dass Unternehmen durch den alleinigen Einsatz von KI geeignete Kandidaten verlieren könnten.
- Die Debatte konzentriert sich auf die richtige Balance zwischen technologischer Effizienz und dem menschlichen Faktor im Einstellungsprozess.
- Fachleute betonen die Notwendigkeit von Transparenz, wenn Unternehmen KI im Bewerbungsverfahren einsetzen.
Ein klares „Nein“ zum Algorithmus
Richard Stott, ein Comedian und Autor aus Beverley in East Yorkshire, bewarb sich auf eine Stelle als freiberuflicher Texter. Der Prozess nahm jedoch eine unerwartete Wendung, als ihm mitgeteilt wurde, das Vorstellungsgespräch werde von einer Künstlichen Intelligenz geleitet. Für Stott war dies ein Grund, seine Bewerbung sofort zurückzuziehen.
„Es fühlte sich nicht richtig an“, erklärte er. Seine Begründung war einfach und direkt: „Ich habe ihnen gesagt, wenn es ihre Zeit nicht wert ist, persönlich mit mir zu sprechen, dann ist die Stelle meine Zeit nicht wert.“
Was ist ein KI-Interview?
Bei einem KI-gesteuerten Interview interagieren Bewerber nicht mit einem Menschen, sondern mit einem Computerprogramm. Die KI stellt vorformulierte Fragen, oft per Videoaufzeichnung oder Text-Chat. Anschließend analysiert ein Algorithmus die Antworten, die Wortwahl, die Sprechgeschwindigkeit und manchmal sogar die Mimik, um eine Vorauswahl der Kandidaten zu treffen.
Stott äußerte seine Bedenken in den sozialen Medien und erhielt nach eigenen Angaben breite Zustimmung. Viele Nutzer teilten seine Ansicht, dass ein solcher Ansatz problematisch sei. „Es fühlte sich respektlos an, dass sie nicht bereit waren, Zeit in Gespräche mit den Kandidaten zu investieren“, fügte er hinzu. Seiner Meinung nach geht dabei ein entscheidender Aspekt verloren: die Persönlichkeit.
„Wenn man in ein Unternehmen oder ein Team kommt, ist die Persönlichkeit wichtig, und das kann man nicht in Daten quantifizieren. Dass die KI das ausblendet, erscheint mir kontraproduktiv.“
Trotz seiner Kritik sieht Stott auch die Vorteile von KI, insbesondere bei der Automatisierung mühsamer Aufgaben. Er hofft jedoch, dass eine klare Haltung von Bewerbern die Verbreitung unpersönlicher Methoden eindämmen kann. „Nicht jeder kann ein Vorstellungsgespräch ablehnen, aber wenn sie KI einsetzen und genug von uns Nein sagen, wird es sich nicht durchsetzen“, so seine Hoffnung.
Experten warnen vor dem Verlust des menschlichen Faktors
Die zunehmende Integration von KI im Personalwesen wird von Branchenexperten mit gemischten Gefühlen betrachtet. Einerseits erkennen sie das Potenzial zur Effizienzsteigerung, andererseits warnen sie vor den Risiken einer vollständigen Automatisierung.
Die Sicht eines Personalvermittlers
Luke Bottomley, Direktor der Personalvermittlung James Ray Recruitment, beschreibt die Entwicklung als unaufhaltsam. „Ich denke, KI muss in Unternehmen integriert werden, sonst werden sie abgehängt“, so Bottomley. „Das ist im Moment ein Einwegzug, und jeder muss sich damit befassen.“
Gleichzeitig ist er davon überzeugt, dass die Technologie den Menschen nicht ersetzen kann, insbesondere wenn es um die Beurteilung von Bewerbern geht.
Gefahr für Unternehmen
Durch den Einsatz von reinen KI-Interviews könnten Unternehmen „potenziell außergewöhnliche Kandidaten verpassen“, warnt Bottomley. Die Nuancen, die in einem persönlichen Gespräch zum Vorschein kommen, bleiben einem Algorithmus verborgen.
Er argumentiert, dass das persönliche Gespräch unerlässlich ist, um einen Menschen wirklich kennenzulernen. „Ein persönliches Gespräch gibt die Chance, eine Person und das, was sie in eine Rolle einbringen kann, kennenzulernen. Das bekommt man nicht durch einen Roboter.“
Der Ruf nach Transparenz und Balance
Auch Fachverbände beschäftigen sich intensiv mit dem Thema. Das Chartered Institute of Personnel and Development (CIPD), der britische Berufsverband für Personalentwicklung, mahnt zu einem ausgewogenen Vorgehen.
Hayfa Mohdzaini, leitende Technologieberaterin beim CIPD, betont: „Arbeitgeber müssen beim Einstellen die richtige Balance zwischen KI und menschlicher Interaktion finden und die Präferenzen der Kandidaten berücksichtigen, damit sie keine großen Talente verpassen.“
Offene Kommunikation als Schlüssel
Ein KI-Chatbot mag für ein Unternehmen eine kostengünstige Option sein, könnte aber gleichzeitig qualifizierte Bewerber abschrecken. Aus diesem Grund sei Transparenz von größter Bedeutung.
- Informationspflicht: Arbeitgeber sollten Bewerber von Anfang an darüber informieren, wenn KI im Prozess eingesetzt wird.
- Nutzen erklären: Es sollte klar kommuniziert werden, welche Vorteile der Einsatz von KI für die Bewerber hat, beispielsweise schnellere Rückmeldungen.
- Menschliche Option: Wo immer möglich, sollte eine menschliche Anlaufstelle für Rückfragen oder alternative Gesprächsformate angeboten werden.
Letztendlich hängt der Erfolg der Implementierung von KI im Recruiting davon ab, ob Unternehmen die Technologie als unterstützendes Werkzeug sehen und nicht als vollständigen Ersatz für menschliches Urteilsvermögen. Der Fall von Richard Stott zeigt deutlich, dass die Akzeptanz der Bewerber eine entscheidende Rolle für die Zukunft des digitalen Personalwesens spielen wird.





