Das Raumfahrtunternehmen Blue Origin macht bedeutende Fortschritte bei der Entwicklung seiner Mondlandefähren und könnte eine Schlüsselrolle in der Zukunft der bemannten Raumfahrt zum Mond spielen. Während die Vorbereitungen für den ersten unbemannten Frachtflug auf Hochtouren laufen, eröffnet sich durch Verzögerungen bei Konkurrenten möglicherweise eine Chance, früher als geplant Astronauten zur Mondoberfläche zu bringen.
In einer Produktionsstätte in Florida wird derzeit die erste „Blue Moon Mark 1“-Landefähre montiert. Gleichzeitig entwickelt das Unternehmen eine größere, bemannte Version und testet entscheidende Technologien für zukünftige Missionen im Rahmen des Artemis-Programms der NASA.
Das Wichtigste in Kürze
- Blue Origin montiert aktuell seine erste unbemannte Mondlandefähre, die Blue Moon Mk. 1.
- Eine größere Version, die Mk. 2, wird für die bemannte Artemis-5-Mission entwickelt und erhielt einen 3,4-Milliarden-Dollar-Vertrag der NASA.
- Aufgrund von Verzögerungen bei SpaceX könnte Blue Origin die Möglichkeit erhalten, bereits für die frühere Artemis-3-Mission einzuspringen.
- Die erste Frachtmission der Mk. 1 soll in naher Zukunft starten und wichtige Daten für die bemannten Flüge liefern.
Zwei Landefähren für unterschiedliche Ziele
Blue Origin verfolgt eine zweigleisige Strategie für seine Mondambitionen. Im Mittelpunkt stehen zwei verschiedene Modelle der Blue-Moon-Landefähre, die jeweils für spezifische Aufgaben konzipiert sind.
Die Blue Moon Mk. 1: Ein Frachter für den Mond
Die erste Version, genannt Blue Moon Mark 1, ist eine unbemannte Frachtlandefähre. Mit einer Höhe von 8,1 Metern ist sie darauf ausgelegt, wissenschaftliche Instrumente und Nutzlasten sicher auf die Mondoberfläche zu transportieren. Die Endmontage des ersten Exemplars findet derzeit in einer speziellen Anlage in Port Canaveral, Florida, statt.
Jacqueline Cortese, Senior Director für zivile Raumfahrt bei Blue Origin, erklärte kürzlich, dass die drei Hauptmodule der Fähre – Heck, Mitte und Bug – gerade zusammengefügt werden. „Wenn Sie sie auf ihrem Transportschiff sehen, werden Sie wissen, dass große Dinge geschehen“, so Cortese. Nach der Montage wird die Landefähre für umfassende Tests im Vakuum zur NASA transportiert.
Technische Details der Mk. 1
Die Blue Moon Mk. 1 wird von BE-7-Triebwerken angetrieben, die mit einer Mischung aus flüssigem Wasserstoff und flüssigem Sauerstoff arbeiten. Sie ist so konzipiert, dass sie mit einem einzigen Start der hauseigenen Trägerrakete New Glenn den Mond erreichen kann.
Die erste Mission der Mk. 1 ist als Demonstrationsflug geplant und wird daher nicht die volle Ladekapazität von 3.000 Kilogramm ausschöpfen. Stattdessen ist sie mit zahlreichen Sensoren ausgestattet, um wertvolle Daten für zukünftige Flüge zu sammeln. An Bord werden sich auch die NASA-Instrumente SCALPSS und LRA befinden. Der zweite Flug der Mk. 1 ist bereits fest verplant: Er wird im Rahmen eines 190-Millionen-Dollar-Vertrags den NASA-Rover VIPER zum Südpol des Mondes bringen.
Die Blue Moon Mk. 2: Das Taxi für Astronauten
Parallel dazu entwickelt das Unternehmen die Blue Moon Mark 2, eine deutlich größere und komplexere Landefähre. Mit einer Höhe von 15,3 Metern ist sie für den Transport von Astronauten ausgelegt. Im Mai 2023 erhielt Blue Origin von der NASA einen Auftrag im Wert von 3,4 Milliarden US-Dollar, um diese Fähre für die Artemis-5-Mission zu entwickeln, die derzeit für das Jahr 2029 geplant ist.
Im Gegensatz zur kleineren Frachtversion benötigt die Mk. 2 eine Betankung im Orbit. Dafür entwickelt Blue Origin einen speziellen „Lunar Transporter“, der kryogene Treibstoffe im Weltraum transferieren kann. Die Tests dieser anspruchsvollen Technologie, die das Verdampfen der extrem kalten Treibstoffe verhindert, laufen bereits seit mehreren Jahren in Zusammenarbeit mit der NASA.
„Wir haben diesen Sommer sehr hart mit der NASA an dieser Testkampagne gearbeitet“, betonte Cortese und verwies auf erfolgreiche Labortests, bei denen die erforderlichen tiefen Temperaturen stabil gehalten werden konnten.
Eine unerwartete Chance für Artemis 3
Die eigentliche Dynamik im Rennen zum Mond entsteht durch Entwicklungen bei der Konkurrenz. SpaceX, das von der NASA den Auftrag für die erste bemannte Mondlandung im Rahmen von Artemis 3 erhalten hat, kämpft Berichten zufolge mit Verzögerungen bei der Entwicklung seines Starship-Landers.
Der Wettlauf zum Mond
Das Artemis-Programm der NASA zielt darauf ab, nach über 50 Jahren wieder Menschen auf den Mond zu bringen und eine nachhaltige Präsenz aufzubauen. Während SpaceX ursprünglich für die Landungen von Artemis 3 und 4 vorgesehen war, wurde Blue Origin als zweiter Anbieter für spätere Missionen ausgewählt, um Redundanz und Wettbewerb zu gewährleisten.
Diese Verzögerungen haben zu öffentlichen Überlegungen innerhalb der US-Regierung geführt. Sean Duffy, der amtierende NASA-Administrator, deutete kürzlich an, den Vertrag für Artemis 3 neu auszuschreiben, um den Zeitplan einzuhalten. „Wir befinden uns in einem Wettlauf mit China“, sagte Duffy und nannte Blue Origin explizit als möglichen Kandidaten, der einspringen könnte.
Auf die Frage, wie Blue Origin auf diese neue Möglichkeit reagiert, äußerte sich Jacqueline Cortese zurückhaltend, aber optimistisch. „Da es sich definitiv um ein Wettbewerbsumfeld handelt, werde ich wahrscheinlich nicht zu viel dazu sagen, aber wir haben diese Arbeit mit der NASA gerade erst begonnen. Wir sind super aufgeregt und haben eine Menge Ideen.“
Sie deutete an, dass die Erfahrungen mit der einfacheren Mk. 1-Landefähre einen Vorteil bieten könnten. „Wir glauben, dass wir einige gute Ideen für einen vielleicht schrittweiseren Ansatz haben, der für ein Beschleunigungsszenario genutzt werden könnte.“
Die nächsten Schritte auf dem Weg zum Mond
Während die politischen und vertraglichen Diskussionen im Hintergrund laufen, konzentriert sich Blue Origin auf die konkreten technischen Meilensteine. Die Fertigstellung der ersten Blue Moon Mk. 1 ist der wichtigste kurzfristige Schritt. Der Start dieser Mission wird nicht nur die Funktionsfähigkeit der Landetechnologie beweisen, sondern auch entscheidende Daten für die Entwicklung des bemannten Systems liefern.
Die erfolgreiche Wiederverwendung der ersten Stufe der New-Glenn-Rakete nach der kommenden EscaPADE-Mission der NASA wird ebenfalls ein wichtiger Indikator für die Zuverlässigkeit und Kosteneffizienz des Unternehmens sein. Diese Raketenstufe soll anschließend für den ersten Flug einer Blue Moon Mk. 1 wiederverwendet werden.
Für die bemannte Mk. 2-Version liegt der Fokus auf der Perfektionierung der Lebenserhaltungssysteme und der komplexen Betankungstechnologie im All. Blue Origin hat sich entschieden, viele Komponenten der Lebenserhaltungssysteme selbst zu entwickeln und zu produzieren, um Lieferkettenprobleme zu vermeiden und die Zuverlässigkeit zu erhöhen. Jeder erfolgreiche Test bringt das Unternehmen seinem Ziel, ein fester Bestandteil der zukünftigen Mond-Infrastruktur zu werden, einen Schritt näher.





