Die Teilnahme an Demonstrationen ist ein Grundrecht, doch das Mitführen eines Smartphones birgt erhebliche Risiken für die Privatsphäre. Behörden können Standortdaten verfolgen, unverschlüsselte Kommunikation abfangen und bei einer Beschlagnahmung auf persönliche Daten zugreifen. Es gibt jedoch wirksame Methoden, um Ihr Gerät und Ihre Informationen zu schützen.
Dieser Leitfaden erklärt Schritt für Schritt, wie Sie Ihr Smartphone vor, während und nach einem Protest absichern können, um Risiken wie Überwachung und Datenabgriff zu minimieren.
Die wichtigsten Schutzmaßnahmen
- Verwenden Sie einen langen, alphanumerischen Passcode anstelle von Fingerabdruck oder Gesichtserkennung.
- Nutzen Sie verschlüsselte Messenger-Dienste wie Signal anstelle von normaler SMS.
- Deaktivieren Sie Standortdienste und erwägen Sie den Flugmodus, um die Signalübertragung zu stoppen.
- Entfernen Sie Metadaten aus Fotos und machen Sie Gesichter unkenntlich, bevor Sie Bilder teilen.
- Notieren Sie wichtige Notfallkontakte außerhalb Ihres Telefons, zum Beispiel auf einem Zettel oder Ihrem Arm.
Vorbereitung: Die richtige Strategie für Ihr Gerät
Die erste und wichtigste Entscheidung betrifft die Frage, ob Sie Ihr Smartphone überhaupt zu einer Demonstration mitnehmen sollten. Diese Entscheidung hängt von Ihrer persönlichen Risikobewertung ab.
Sollte das Telefon zu Hause bleiben?
Ein Telefon zu Hause zu lassen, ist der absolut sicherste Weg, um Ihre Daten zu schützen. Es bedeutet jedoch auch, auf wichtige Funktionen zu verzichten. Sie können nicht mit anderen kommunizieren, keine Updates über soziale Medien erhalten oder Vorfälle dokumentieren.
Laut Mason Donahue von Lucy Parsons Labs, einer Organisation für digitale Sicherheit, ist es immer „eine Abwägung verschiedener Prioritäten und akzeptabler Risiken“. Der Verzicht auf ein Telefon eliminiert das digitale Risiko, schränkt aber die organisatorischen Möglichkeiten stark ein.
Eine Alternative kann ein sogenanntes „Burner-Phone“ oder ein altes, zurückgesetztes Smartphone sein, das keine persönlichen Daten enthält. Dies ist jedoch nicht für jeden eine finanziell realisierbare Option.
Die wichtigsten Sicherheitseinstellungen vor dem Protest
Wenn Sie sich entscheiden, Ihr Smartphone mitzunehmen, sollten Sie einige grundlegende Einstellungen vornehmen, um die Sicherheit deutlich zu erhöhen. Diese Maßnahmen erschweren den unbefugten Zugriff auf Ihre Daten erheblich.
Passcode statt Biometrie
Fingerabdruck- und Gesichtsscanner sind bequem, bieten aber in den USA einen geringeren rechtlichen Schutz als ein Passcode. Gerichte haben in der Vergangenheit unterschiedlich geurteilt, aber es gab Fälle, in denen Personen gezwungen werden konnten, ihr Telefon mit biometrischen Daten zu entsperren. Der fünfte Verfassungszusatz schützt Bürger davor, sich selbst zu belasten, was eher auf die Herausgabe eines Passworts zutrifft.
Wussten Sie schon?
Spezialisierte forensische Werkzeuge wie die von Cellebrite können einfache, numerische Passcodes oft in kurzer Zeit knacken. Ein langes Passwort aus Buchstaben, Zahlen und Sonderzeichen bietet einen weitaus höheren Schutz.
David Huerta, ein Trainer für digitale Sicherheit bei der Freedom of the Press Foundation, empfiehlt daher dringend die Verwendung eines langen, alphanumerischen Passcodes. So richten Sie ihn ein:
- iPhone: Einstellungen > Face ID & Code > Code ändern > Codeoptionen > Eigener alphanumerischer Code.
- Android: Einstellungen > Sicherheit > Displaysperre > Passwort.
Verschlüsselung aktivieren
Die meisten modernen Smartphones sind standardmäßig verschlüsselt, solange eine Displaysperre aktiv ist. Dies bedeutet, dass die Daten auf dem Gerät ohne den richtigen Passcode unlesbar sind. Überprüfen Sie zur Sicherheit, ob die Verschlüsselung auf Ihrem Gerät aktiv ist.
Kommunikation und Standort absichern
Während eines Protests ist Ihr Gerät ständig dabei, Signale zu senden und zu empfangen. Diese Signale können zur Überwachung genutzt werden. Es gibt jedoch Möglichkeiten, diese Übertragung zu kontrollieren.
Was sind IMSI-Catcher?
IMSI-Catcher, auch „Stingrays“ genannt, sind Geräte, die sich als Mobilfunkmasten ausgeben. Sie können die Identifikationsnummern (IMSI) aller Telefone in einem bestimmten Bereich erfassen. Neuere Modelle sind laut Berichten sogar in der Lage, Anrufe und Textnachrichten abzufangen.
Verschlüsselte Nachrichten sind entscheidend
Da unverschlüsselte SMS-Nachrichten leicht abgefangen werden können, sollten Sie ausschließlich auf Ende-zu-Ende-verschlüsselte Messenger wie Signal oder WhatsApp setzen. Signal wird von Experten oft bevorzugt, da das Unternehmen nur ein Minimum an Metadaten speichert.
In einem Gerichtsverfahren im Jahr 2016 konnte Signal den Behörden lediglich den Zeitpunkt der Kontoerstellung und das Datum der letzten Serververbindung eines Nutzers mitteilen – mehr Daten waren nicht vorhanden.
Standortverfolgung minimieren
Ihr Standort kann nicht nur über IMSI-Catcher, sondern auch durch sogenannte „Cell Tower Dumps“ ermittelt werden. Dabei fordern Behörden von Mobilfunkanbietern eine Liste aller Geräte an, die zu einer bestimmten Zeit mit einem bestimmten Mobilfunkmast verbunden waren.
Um dies zu verhindern, gibt es mehrere Stufen des Schutzes:
- Flugmodus aktivieren: Dies unterbricht alle Mobilfunk-, WLAN- und Bluetooth-Verbindungen und ist eine sehr effektive Methode, um die Signalübertragung zu stoppen.
- Standortdienste deaktivieren: Wenn Sie kommunizieren müssen, schalten Sie zumindest die GPS-basierten Standortdienste aus.
iPhone: Einstellungen > Datenschutz & Sicherheit > Ortungsdienste > Aus.
Android: Einstellungen > Standort > Standort verwenden > Aus. - 2G-Netzwerk abschalten: Einige IMSI-Catcher zwingen Telefone dazu, sich mit älteren, unsicheren 2G-Netzen zu verbinden. Das Deaktivieren von 2G kann einen gewissen Schutz bieten.
Android (ab Version 12): Einstellungen > Netzwerk & Internet > SIMs > [Anbieter] > 2G zulassen > Aus.
Umgang mit Daten und Medien
Fotos und Videos sind wichtige Werkzeuge zur Dokumentation, können aber auch unbeabsichtigt sensible Informationen preisgeben. Ein bewusster Umgang mit Medien ist daher unerlässlich.
Vorsicht bei Foto-Metadaten
Jedes Foto, das Sie aufnehmen, enthält unsichtbare EXIF-Daten. Diese können Informationen wie das genaue Aufnahmedatum, das Kameramodell und – falls aktiviert – die GPS-Koordinaten des Aufnahmeortes enthalten.
Ein einfacher Trick, um diese Metadaten zu entfernen, besteht darin, einen Screenshot des Originalbildes zu machen und nur diesen zu teilen. Dadurch wird eine neue Datei ohne die ursprünglichen EXIF-Daten erstellt.
Identitäten schützen
Gesichter von anderen Demonstrationsteilnehmern sollten vor der Veröffentlichung unkenntlich gemacht werden. Strafverfolgungsbehörden setzen Gesichtserkennungssoftware ein, um Personen zu identifizieren. Verwenden Sie Bildbearbeitungswerkzeuge, um Gesichter zu verpixeln oder mit einem schwarzen Balken zu überdecken. Die App Signal bietet eine integrierte Funktion, um Gesichter in Bildern automatisch unkenntlich zu machen.
Für den Notfall vorbereitet sein
Trotz aller Vorsichtsmaßnahmen kann es vorkommen, dass Ihr Telefon beschlagnahmt wird, verloren geht oder der Akku leer ist. Bereiten Sie sich auf dieses Szenario vor.
Wichtige Kontakte physisch notieren
Verlassen Sie sich nicht ausschließlich auf Ihr digitales Telefonbuch. Notieren Sie wichtige Telefonnummern, wie die eines Anwalts, eines Notfallkontakts oder einer Rechtshilfe-Hotline, auf einem Zettel oder mit einem wasserfesten Stift auf Ihrem Arm. Die National Lawyers Guild betreibt in den USA beispielsweise spezielle Hotlines für bei Demonstrationen verhaftete Personen.
Benachrichtigungen auf dem Sperrbildschirm ausblenden
Selbst wenn Ihr Telefon gesperrt ist, können eingehende Benachrichtigungen auf dem Sperrbildschirm private Informationen preisgeben. Deaktivieren Sie die Vorschau von Nachrichten, um zu verhindern, dass jemand den Inhalt Ihrer Kommunikation ohne Entsperren des Geräts mitlesen kann.
- iPhone: Einstellungen > Mitteilungen > Vorschauen zeigen > Niemals.
- Android: Einstellungen > Benachrichtigungen > Benachrichtigungen auf dem Sperrbildschirm > Keine Benachrichtigungen anzeigen.
Durch die Umsetzung dieser Maßnahmen können Sie das Risiko für sich und andere erheblich reduzieren und gleichzeitig Ihr Recht auf freie Meinungsäußerung wahrnehmen.





