Ein kürzlich erteiltes US-Patent für Nintendo und The Pokémon Company hat in der Gaming-Community für Aufsehen gesorgt. Entgegen erster Berichte patentierten die Unternehmen jedoch nicht die allgemeine Idee, Charaktere zu beschwören und kämpfen zu lassen. Stattdessen bezieht sich das Patent auf ein sehr spezifisches System, das automatische Kämpfe steuert, ähnlich der Mechanik in „Pokémon Karmesin und Purpur“.
Das Patent beschreibt eine Methode, mit der eine Spielsoftware entscheidet, welche Aktion ausgeführt wird, nachdem ein Spieler einen Charakter in der Spielwelt platziert hat. Diese Komplexität macht das Patent zwar weniger weitreichend als befürchtet, wirft aber dennoch Fragen zur rechtlichen Gültigkeit und den potenziellen Auswirkungen auf andere Spieleentwickler auf.
Wichtige Erkenntnisse
- Nintendo und The Pokémon Company haben ein Patent für ein spezifisches Auto-Kampf-System erhalten, nicht für das allgemeine Konzept von Charakterkämpfen.
- Das System analysiert die Position eines beschworenen Charakters im Verhältnis zu Gegnern, um zwischen einem manuellen Kampf, einem automatischen Kampf oder einer einfachen Bewegung zu entscheiden.
- Rechtsexperten sehen zwei mögliche Wege, das Patent anzufechten: durch den Nachweis bereits existierender ähnlicher Mechaniken („Vorwegnahme“) oder weil es eine abstrakte Idee ohne erfinderischen Schritt darstellt.
- Nintendo hat in der Vergangenheit Patente genutzt, um seine geistigen Eigentumsrechte zu verteidigen, wie im Fall der Klage gegen den „Palworld“-Entwickler.
Die Details des Patents 12.403.397
Das fragliche Dokument, US-Patent Nr. 12.403.397, wurde im März 2023 angemeldet und Anfang September 2025 erteilt. Es konzentriert sich auf eine situationsabhängige Spielmechanik. Anstatt nur das Beschwören von Charakteren zu umfassen, beschreibt es einen Entscheidungsprozess der Software.
Die Kernfunktion lässt sich am besten am Beispiel von „Pokémon Karmesin und Purpur“ erklären. In diesen Spielen können Trainer ihr Pokémon in die offene Welt schicken, um selbstständig gegen wilde Pokémon zu kämpfen, ohne dass ein rundenbasierter Kampf gestartet wird, den der Spieler direkt steuert.
Drei Szenarien der Interaktion
Das Patent beschreibt einen Algorithmus, der auf Basis der Spieleraktion eine von drei möglichen Ergebnissen auslöst, nachdem ein „Nebencharakter“ beschworen wurde:
- Direkter, vom Spieler gesteuerter Kampf: Wenn der Spieler den Charakter direkt auf einen Gegner wirft oder platziert, wird ein traditioneller, manuell gesteuerter Kampf eingeleitet.
- Automatischer Kampf: Wird der Charakter in der Nähe eines Gegners platziert, erkennt die Software dies und der Charakter beginnt selbstständig einen automatischen Kampf.
- Automatische Bewegung: Wenn in der unmittelbaren Umgebung keine Gegner vorhanden sind, beginnt der beschworene Charakter, sich frei in der Welt zu bewegen und dem Spieler zu folgen.
Es handelt sich also nicht um ein Patent für Auto-Kämpfe allein, sondern für das gesamte System, das diese verschiedenen Optionen basierend auf dem Kontext unterscheidet. Diese Spezifität ist entscheidend für die rechtliche Bewertung.
Nintendos Geschichte mit Patenten
Nintendo ist dafür bekannt, seine Innovationen rechtlich zu schützen. Ein bekanntes Beispiel ist das „Sanity System“-Patent aus dem Spiel „Eternal Darkness: Sanity’s Requiem“ aus dem Jahr 2000. Dieses System beeinflusste das Gameplay durch visuelle und auditive Störungen, wenn die geistige Gesundheit des Charakters sank. Das Patent ist inzwischen im Jahr 2021 ausgelaufen. Aktueller ist eine Patentklage gegen Pocketpair, den Entwickler von „Palworld“, in Japan, die sich auf das Werfen von Bällen auf Charaktere bezieht.
Rechtliche Anfechtbarkeit des Patents
Obwohl das Patent spezifischer ist als oft dargestellt, könnten andere Spieleentwickler dennoch verunsichert sein. Laut Charles Duan, Assistenzprofessor an der American University Washington College of Law, gibt es zwei Hauptargumente, mit denen ein solches Softwarepatent angefochten werden könnte.
1. Vorwegnahme und Offensichtlichkeit
Ein Patent kann für ungültig erklärt werden, wenn die darin beschriebene Erfindung bereits vor dem Anmeldedatum existierte oder für Fachleute naheliegend war. Duan verweist auf ältere Spiele wie „StarCraft“, die ähnliche Mechaniken nutzten.
„Wenn ein altes Spiel wie StarCraft, das offensichtlich vor dem frühesten Anmeldedatum dieses Patents im Jahr 2022 liegt, alle Merkmale aufwies, die dieses Patent beansprucht, dann macht das das Patent nach den patentrechtlichen Regeln der ‚Vorwegnahme‘ oder ‚Offensichtlichkeit‘ ungültig.“
In „StarCraft“ können Spieler Einheiten einen „Angriffsbefehl“ geben, woraufhin diese automatisch alle Gegner auf ihrem Weg angreifen. Alternativ können Kämpfe auch manuell gesteuert werden. Die juristische Argumentation in solchen Fällen ist jedoch oft sehr technisch und komplex.
2. Schutzfähigkeit des Gegenstands
Ein häufiger und oft einfacherer Weg, ein Softwarepatent anzufechten, ist die Frage der Schutzfähigkeit. Dieses Prinzip prüft, ob ein Patent (1) auf eine abstrakte Idee gerichtet ist und (2) keinen erfinderischen Schritt darüber hinaus enthält. Grundlegende Konzepte oder menschliche Organisationsformen können nicht patentiert werden.
Duan erklärt, dass die im Nintendo-Patent beschriebenen Kampfarten an militärische Hierarchien erinnern könnten: „Generäle sagen Soldaten, wohin sie gehen sollen, und je nach Befehl könnten die Soldaten Befehle befolgen, Feinde in ihrer Nähe zu bekämpfen, sich auf eigene Initiative auf Feinde zubewegen oder ein Ziel erhalten und Feinde auf dem Weg dorthin automatisch bekämpfen.“
Sollte ein Gericht diese Analogie als zutreffend erachten, könnte es zu dem Schluss kommen, dass das Patent auf einer abstrakten Idee basiert und somit nicht schutzfähig ist.
Was ist eine abstrakte Idee im Patentrecht?
Im US-Patentrecht gelten grundlegende Konzepte wie mathematische Formeln, Naturgesetze oder grundlegende wirtschaftliche Praktiken als „abstrakte Ideen“. Ein Patent muss eine konkrete Anwendung oder eine erfinderische Umsetzung einer solchen Idee beschreiben, um gültig zu sein. Die bloße Automatisierung eines bekannten Prozesses mit einem Computer reicht oft nicht aus.
Was bedeutet das für die Spielebranche?
Die Sorge, dass Nintendo nun jeden Entwickler verklagen könnte, der Auto-Kampf-Mechaniken einsetzt, ist wahrscheinlich unbegründet. Das Patent ist zu spezifisch, um eine so breite Anwendung zu finden. Es zielt auf die Kombination aus kontextbezogener Beschwörung und der daraus resultierenden automatischen Entscheidung zwischen verschiedenen Kampf- und Bewegungsmodi ab.
Entwickler, deren Spiele automatische Kämpfe oder das Beschwören von Begleitern beinhalten, sind wahrscheinlich nicht betroffen, solange sie nicht die exakte, im Patent beschriebene Logik kopieren. Dennoch zeigt der Fall, wie große Unternehmen versuchen, auch spezifische Gameplay-Mechaniken rechtlich abzusichern.
Letztendlich ist es schwer vorherzusagen, wie ein Gericht ein Patent im Falle einer Klage interpretieren würde. Die genaue Formulierung der Ansprüche ist entscheidend. Vorerst scheint es jedoch, dass dieses spezielle Patent eine geringere Bedrohung für die kreative Freiheit in der Spieleentwicklung darstellt, als die ersten Schlagzeilen vermuten ließen.