Nach der Insolvenz des Elektroauto-Herstellers Fisker im Juni 2024 sahen sich Tausende Besitzer des Modells Ocean mit erheblichen Problemen konfrontiert. Anstatt ihre Fahrzeuge aufzugeben, haben sie sich zu einer gemeinnützigen Organisation zusammengeschlossen, um die Wartung, Reparatur und sogar die Softwareentwicklung ihrer Autos selbst in die Hand zu nehmen.
Wichtige Fakten
- Nach der Insolvenz von Fisker blieben rund 11.000 Ocean-Besitzer ohne Hersteller-Support zurück.
- Als Reaktion gründeten sie die Fisker Owners Association (FOA), eine gemeinnützige Organisation.
- Die FOA entwickelt eigene Software-Lösungen und baut eine unabhängige Lieferkette für Ersatzteile auf.
- Trotz der Initiative sind die finanziellen und technischen Hürden für die Besitzer weiterhin groß.
Die Folgen der Fisker-Insolvenz
Für viele Käufer wie Cristian Fleming war der Fisker Ocean ein Traumauto. Mit einem Preis von rund 70.000 US-Dollar, einer versprochenen Reichweite von über 560 Kilometern und innovativen Funktionen wie dem „California Mode“ zog das Elektro-SUV viele an. Doch die Freude währte nur kurz.
Sieben Monate nach Flemings Kauf meldete Fisker im Juni 2024 Insolvenz an. Das Unternehmen hatte bis dahin nur etwa 11.000 Fahrzeuge ausgeliefert. Die frühen Käufer sahen sich plötzlich mit einer Reihe von Problemen konfrontiert, für die es keine offizielle Lösung mehr gab.
Zu den gemeldeten Mängeln zählten Batterieausfälle, fehlerhafte Software, unzuverlässige Funkschlüssel und Türgriffe, die sich nicht immer öffnen ließen. Da das Unternehmen nicht mehr existierte, wurde der Zugang zu Ersatzteilen und offiziellen Reparaturen unmöglich. Die Aufsichtsbehörden verzeichneten Dutzende von Beschwerden, während die Fahrzeuge an Wert verloren.
Hintergrund: Der schnelle Aufstieg und Fall von Fisker
Fisker Inc. wurde vom bekannten Automobildesigner Henrik Fisker gegründet und galt als vielversprechender neuer Akteur auf dem Markt für Elektrofahrzeuge. Trotz eines erfolgreichen Börsengangs und hoher Erwartungen kämpfte das Unternehmen mit Produktionsverzögerungen, Qualitätsproblemen und einer unzureichenden Service-Infrastruktur, was letztendlich zur Insolvenz führte.
Eine beispiellose Rettungsaktion
Anstatt ihre teuren Fahrzeuge als wertlos abzuschreiben, organisierten sich Tausende von Ocean-Besitzern. Sie gründeten die Fisker Owners Association (FOA), eine gemeinnützige Organisation, die als eine Art improvisierter Automobilhersteller fungiert. Cristian Fleming, einer der ersten Käufer, ist heute Präsident der Organisation.
Die FOA bezeichnet sich selbst als die erste vollständig von Besitzern kontrollierte E-Auto-Flotte der Geschichte. Clint Bagley, Schatzmeister der FOA, erklärt die Motivation: „Jeder, der einen Ocean besitzt, liebt ihn – bis der Funkschlüssel wieder nicht funktioniert und man nicht mehr ins Auto kommt.“
Struktur und Finanzierung der Initiative
Die Organisation finanziert sich durch Mitgliedsbeiträge. Bisher haben sich 4.055 Ocean-Besitzer registriert und zahlen einen Jahresbeitrag von 550 US-Dollar. Die FOA schätzt, dass dadurch jährlich rund 3 Millionen US-Dollar zusammenkommen werden. Nur verifizierte Besitzer können Vollmitglieder werden.
Aus der Initiative sind drei spezialisierte Unternehmen hervorgegangen:
- Tsunami Automotive: Verantwortlich für die Ersatzteilversorgung in Nordamerika.
- Tidal Wave: Kümmert sich um die Ersatzteilbeschaffung in Europa.
- UnderCurrent Automotive: Ein Software-Unternehmen, das von ehemaligen Ingenieuren von Google und Apple geleitet wird.
Diese Firmen durchsuchen Versicherungsauktionen nach Teilen und beauftragen Hersteller, um wichtige Komponenten nachzuproduzieren.
Historische Vorbilder
Das Vorgehen der Fisker-Besitzer hat historische Parallelen. Auch Enthusiasten von Marken wie DeLorean und Saab haben nach der Schließung der Werke die Ersatzteilversorgung und den Erhalt der Fahrzeuge durch Clubs und private Initiativen sichergestellt. Der Unterschied besteht darin, dass die FOA zusätzlich moderne Software für ein vernetztes Fahrzeug entwickeln muss.
Technische Lösungen aus der Community
Die größte Herausforderung für die Besitzer ist die komplexe Software des Fisker Ocean. Hier setzt UnderCurrent Automotive an. Das erste Produkt des Unternehmens ist OceanLink Pro, eine mobile App, die grundlegende Funktionen wie die Fernüberwachung des Batteriestatus und die Klimasteuerung wiederherstellt. Mehr als 1.200 Mitglieder nutzen die App bereits.
Zusätzlich wurde ein Gerät namens OceanLink Pulse entwickelt. Es rüstet Funktionen wie kabelloses CarPlay und Android Auto nach. Zukünftige Updates sollen einen schlüssellosen Zugang ermöglichen.
„Das sind Dinge, die man von einem Luxusauto für 70.000 Dollar erwartet hätte“, sagt Bagley. „Aber wir sind froh, das zu liefern, was ein Milliarden-Dollar-Unternehmen anscheinend nicht konnte.“
Unsichere Zukunft und große Hürden
Trotz des Engagements der Besitzergemeinschaft bleibt die Zukunft der Fisker-Ocean-Fahrzeuge ungewiss. Analysten der Automobilindustrie bewerten die Erfolgsaussichten der FOA unterschiedlich. Seth Goldstein von Morningstar hält die Organisation für einen sinnvollen Weg, Ressourcen zu teilen und die Fahrzeuge langfristig zu warten.
Andere Branchenkenner wie Robby DeGraff von AutoPacific loben zwar die Bemühungen der Besitzer, kritisieren aber gleichzeitig den Gründer Henrik Fisker scharf dafür, die Kunden im Stich gelassen zu haben. „Es ist beschämend und ehrlich gesagt erbärmlich, dass Henrik Fisker von der Bildfläche verschwunden ist und Tausende von Ocean-Besitzern sich selbst überlassen hat“, so DeGraff.
Finanzielle und rechtliche Probleme
Die finanziellen Verluste für die Eigentümer sind erheblich. Laut dem Einzelhandelsspezialisten CarGurus sind die Wiederverkaufswerte seit der Insolvenz um mehr als 40 Prozent gefallen. Karl Barth, ein Anwalt, der Ocean-Besitzer vertritt, berichtet von extrem niedrigen Rückkaufangeboten von nur 3.000 US-Dollar.
Zudem gibt es ernsthafte Sicherheitsbedenken. Barth erwähnt Fälle, in denen Fahrzeuge mitten in einer Kurve einfach ausgingen. Ein im August durchgeführter Rückruf wegen eines Softwarefehlers bei den Bremsen betraf 7.745 Fahrzeuge.
Ein weiterer Akteur ist das New Yorker Taxiunternehmen American Lease, das über 3.200 unverkaufte Oceans für 46 Millionen US-Dollar erwarb und diese nun an Fahrer von Uber und Lyft vermietet. Eine geplante Partnerschaft zwischen der FOA und American Lease scheiterte laut Bagley an Unstimmigkeiten bezüglich der Handhabung von Rückrufen.
Das Experiment der Fisker-Besitzer ist beispiellos. Ob eine von Freiwilligen geführte Organisation die Probleme lösen kann, an denen ein milliardenschweres Startup gescheitert ist, bleibt eine offene Frage. Vorerst hängt die Zukunft der Fahrzeuge allein vom unermüdlichen Einsatz ihrer Eigentümer ab.





