Mehr als zwei Jahre nach der tragischen Implosion des Tauchboots Titan haben Ermittler eine Unterwasserkamera aus dem Wrack geborgen. Im Inneren befand sich eine unbeschädigte SanDisk-Speicherkarte, von der erfolgreich 12 Fotos und 9 Videos wiederhergestellt werden konnten.
Die geborgenen Daten stammen jedoch nicht von der letzten, verhängnisvollen Tauchfahrt im Juni 2023. Die Entdeckung liefert dennoch wichtige Einblicke in die Widerstandsfähigkeit von handelsüblicher Technologie unter extremen Bedingungen und den komplexen Prozess der forensischen Datenrettung.
Wichtige Erkenntnisse
- Eine gehärtete Unterwasserkamera wurde weitgehend intakt aus dem Wrack der Titan geborgen.
- Eine handelsübliche SanDisk SD-Karte im Inneren der Kamera überstand die Implosion unbeschadet.
- Ermittler konnten 12 hochauflösende Bilder und 9 UHD-Videos von der Karte wiederherstellen.
- Die Aufnahmen zeigen frühere Tests und Werkstattarbeiten, nicht die letzte Tauchfahrt des U-Boots.
- Die Datenrettung erforderte einen aufwendigen technischen Prozess aufgrund von Verschlüsselung und Hardwareschäden.
Ein bemerkenswerter Fund in der Tiefsee
Bergungsteams, die das Wrack des OceanGate-Tauchboots Titan untersuchen, machten eine unerwartete Entdeckung. In den Trümmern, die in rund 3.300 Metern Tiefe im Nordatlantik liegen, fanden sie eine Spezialkamera der Marke SubC. Es handelt sich um das Modell Rayfin Mk2 Benthic, das speziell für den Einsatz in der Tiefsee entwickelt wurde.
Die Kamera ist für eine Tiefe von bis zu 6.000 Metern ausgelegt, was erklärt, warum ihr Gehäuse die Implosion überstand. Das Tauchboot selbst implodierte bei etwa 3.300 Metern, einem Druck, der dem 380-fachen des Drucks an der Meeresoberfläche entspricht.
Robuste Konstruktion
Das Gehäuse der Kamera besteht aus Titan und synthetischem Saphirkristall. Während das Gehäuse selbst intakt blieb, war das Objektiv zersplittert und einige der internen Leiterplatten wiesen leichte Beschädigungen auf. Die entscheidende Komponente, die Speicherkarte, blieb jedoch völlig unversehrt.
Dieser Fund ist ein Zeugnis für die extreme Widerstandsfähigkeit der Kamera-Konstruktion. Trotz der gewaltigen Kräfte, die bei der Implosion wirkten und das Kohlefaser-U-Boot in Millisekunden zerstörten, schützte das Kameragehäuse seinen Inhalt effektiv.
Die Daten auf der Speicherkarte
Im Inneren der Kamera befand sich eine handelsübliche 512-GB-Speicherkarte, die höchstwahrscheinlich vom Typ SanDisk Extreme Pro ist. Solche Karten sind für rund 60 Euro im Handel erhältlich, was den Fund umso bemerkenswerter macht. Es zeigt, dass auch kostengünstige Verbraucherelektronik extremen Bedingungen standhalten kann, wenn sie entsprechend geschützt ist.
Nach der Bergung stellte sich die Frage, ob die Daten auf der Karte noch lesbar waren. Dies leitete einen komplexen forensischen Prozess ein, der die Zusammenarbeit mehrerer internationaler Behörden erforderte.
Der aufwendige Weg zur Wiederherstellung
Die Datenrettung war keine einfache Aufgabe. Die Speicherkarte war vollständig verschlüsselt und in zwei Partitionen aufgeteilt: eine kleine für Betriebssystem-Updates und eine größere für die Nutzerdaten. Zudem waren durch die Implosion wichtige Komponenten auf der Hauptplatine der Kamera, dem sogenannten System-on-Module (SOM), beschädigt worden.
Insbesondere der Mikrocontroller und mehrere Anschlüsse waren gebrochen. Dies erschwerte den direkten Zugriff auf die Daten erheblich. Die Ermittler mussten den NVRAM-Chip, der potenziell die Verschlüsselungsschlüssel enthielt, von der Platine entfernen.
Internationale Zusammenarbeit
An der Datenrettung waren mehrere Organisationen beteiligt. Das Team arbeitete eng mit dem Kamerahersteller SubC Imaging, dem kanadischen Transportation Safety Board (TSB) und dem US-amerikanischen National Transportation Safety Board (NTSB) zusammen. Diese Kooperation war entscheidend, um die proprietären Systeme der Kamera zu verstehen und die Daten erfolgreich zu extrahieren.
Um die Verschlüsselung zu umgehen, erstellten die Experten eine direkte binäre Kopie der SD-Karte und bauten Ersatzplatinen, um die Funktionalität des Originals zu replizieren. Schließlich gelang es ihnen mit spezieller Hardware und den Verfahren des Herstellers, auf die Inhalte zuzugreifen.
Was die geborgenen Dateien zeigen
Die Anstrengungen der Ermittler waren erfolgreich. Sie konnten insgesamt 12 Standbilder mit einer Auflösung von 4.056 x 3.040 Pixeln und 9 Videos in UHD-Qualität wiederherstellen. Die Hoffnung, Aufnahmen von den letzten Momenten der Titan zu finden, erfüllte sich jedoch nicht.
Die wiederhergestellten Dateien enthielten keine Aufnahmen von der Unglücksfahrt. Stattdessen zeigten sie älteres Material:
- Unterwasseraufnahmen eines Tauchers
- Mehrere Videoclips, die in der Werkstatt des Marine Institute in Neufundland aufgenommen wurden
Der Grund dafür ist technischer Natur. Laut dem Wissenschaftskommunikator Scott Manley war die Kamera so konfiguriert, dass sie ihre Daten direkt auf ein externes Speichergerät übertrug. Daher wurden von der letzten Tauchfahrt keine Daten auf der internen SD-Karte gespeichert.
„Die Kamera war so konfiguriert worden, dass sie Daten auf ein externes Speichergerät auslagerte, daher wurde nichts von der Unfall-Tauchfahrt gefunden.“ - Scott Manley
Obwohl die Aufnahmen keine direkten Informationen über die Ursache der Implosion liefern, ist die erfolgreiche Datenrettung ein wichtiger technischer Erfolg. Sie bestätigt, dass Daten selbst nach einer solch katastrophalen Zerstörung in der Tiefsee geborgen werden können, sofern die Speichermedien ausreichend geschützt sind.
Hintergrund der Titan-Katastrophe
Das Tauchboot Titan implodierte im Juni 2023 während eines Tauchgangs zum Wrack der Titanic. Alle fünf Personen an Bord kamen dabei ums Leben. Als Ursache gilt ein katastrophales Versagen des Druckkörpers, der aus einer experimentellen Kombination von Kohlefaser und Titan bestand.
Experten vermuten, dass wiederholte Tauchgänge zu Materialermüdung und mikroskopisch kleinen Rissen in der Kohlefaserhülle geführt haben. Unter dem immensen Druck in der Tiefsee kollabierte die Struktur schlagartig innerhalb von Millisekunden, was den Insassen keine Überlebenschance ließ. Der Vorfall löste eine weltweite Debatte über Sicherheitsstandards bei privaten Tiefsee-Expeditionen aus.





