Apple erwägt, seine Datenschutzfunktion „App-Tracking-Transparenz“ (ATT) in Europa abzuschalten. Das Unternehmen begründet diesen Schritt mit dem zunehmenden Druck durch Regulierungsbehörden und „intensiven Lobbying-Bemühungen“ in mehreren europäischen Ländern, darunter Deutschland. Dies könnte weitreichende Folgen für den Datenschutz von Millionen iPhone-Nutzern haben.
Das Wichtigste in Kürze
- Apple könnte die Datenschutzfunktion „App-Tracking-Transparenz“ (ATT) in Europa deaktivieren.
- Grund dafür ist regulatorischer Druck, insbesondere aus Deutschland und Frankreich, wo Wettbewerbsbedenken geäußert wurden.
- Apple wirft der Werbebranche vor, Lobbyarbeit gegen die Funktion zu betreiben, um ihre Geschäftsmodelle zu schützen.
- Ein Ende von ATT würde es Apps wieder erleichtern, Nutzerdaten über verschiedene Dienste hinweg zu verfolgen.
Ein zentrales Datenschutz-Feature auf dem Prüfstand
Seit der Einführung im Mai 2021 ist die Funktion „App-Tracking-Transparenz“ ein Kernstück von Apples Datenschutzversprechen. Sie zwingt App-Entwickler dazu, die ausdrückliche Zustimmung der Nutzer einzuholen, bevor sie deren Aktivitäten über Apps und Webseiten anderer Unternehmen hinweg verfolgen können. Die meisten Nutzer lehnen dieses Tracking ab, wenn sie die Wahl haben.
Die Einführung von ATT hatte unmittelbare Auswirkungen auf die digitale Werbebranche. Studien zeigten einen drastischen Rückgang der Tracking-Raten. In den USA beispielsweise fiel die Rate um über 50 %, was die Geschäftsmodelle von Unternehmen wie Meta, die stark auf personalisierte Werbung angewiesen sind, direkt traf.
Hintergrund: Was ist App-Tracking-Transparenz?
ATT ist eine Funktion in Apples Betriebssystemen (iOS, iPadOS), die seit Version 14.5 aktiv ist. Jedes Mal, wenn eine App auf die Werbe-ID eines Geräts (IDFA) zugreifen möchte, um Nutzeraktivitäten zu verfolgen, erscheint ein Pop-up-Fenster. Nutzer können dann wählen, ob sie der App das Tracking gestatten oder es ablehnen. Diese einfache Wahlmöglichkeit hat die Machtverhältnisse zugunsten der Nutzer verschoben.
Wettbewerbshüter nehmen Apple ins Visier
Während Datenschützer die Funktion begrüßten, sahen Wettbewerbsbehörden und Werbeunternehmen darin ein potenziell wettbewerbswidriges Verhalten. Der Vorwurf lautet, Apple nutze seine Marktmacht, um Konkurrenten zu benachteiligen, während die eigenen Dienste von diesen strengen Regeln ausgenommen seien.
Untersuchungen in Deutschland und Frankreich
In Deutschland hat das Bundeskartellamt in einer vorläufigen Einschätzung Bedenken geäußert. Die Behörde prüft, ob Apple sich selbst einen unfairen Vorteil verschafft, da die Datenschutzstandards für die eigenen Apps nicht im gleichen Maße gelten würden wie für Drittanbieter. Auch in Frankreich wurde Apple bereits mit einer Geldstrafe belegt, die im Zusammenhang mit den Datenschutzeinstellungen für Werbung stand.
Drastischer Rückgang des Trackings
Nach der Einführung von ATT sank die Zustimmungsrate für App-übergreifendes Tracking rapide. Einige Analysen berichten von einer Zustimmungsrate von unter 25 % weltweit, was die Effektivität von personalisierter Werbung für viele Anbieter erheblich einschränkte.
Diese rechtlichen Auseinandersetzungen bilden den Hintergrund für die aktuelle Drohung des Unternehmens. Apple sieht sich in die Enge getrieben und reagiert nun mit einer öffentlichen Warnung.
Apples Warnung an Europa
In einer Erklärung gegenüber der Deutschen Presse-Agentur formulierte Apple seine Position deutlich. Der Konzern sieht sich als Opfer einer gezielten Kampagne, die den Datenschutz der Verbraucher untergraben wolle.
„Intensive Lobbying-Bemühungen in Deutschland, Italien und anderen Ländern in Europa könnten uns zwingen, diese Funktion zum Nachteil der europäischen Verbraucher zurückzuziehen“, heißt es in der Stellungnahme.
Apple kündigte an, weiterhin bei den zuständigen Behörden in ganz Europa darauf zu drängen, „dieses wichtige Datenschutz-Tool für unsere Nutzer weiterhin anbieten zu dürfen“. Die Aussage positioniert das Unternehmen als Verteidiger der Privatsphäre gegen die kommerziellen Interessen der Werbeindustrie.
Die Verteidigungslinie des Konzerns
Apple weist die Vorwürfe des wettbewerbswidrigen Verhaltens entschieden zurück. Das Unternehmen argumentiert, es lege für sich selbst strengere Maßstäbe an als für jeden Drittanbieter. Nutzern werde bei Apples eigenen Diensten eine klare Wahlmöglichkeit geboten, ob sie personalisierte Werbung überhaupt erhalten möchten.
Zudem seien zentrale Dienste wie Siri, Karten oder iMessage so konzipiert, dass Apple selbst keine Daten über diese Dienste hinweg verknüpfen könne, um Nutzerprofile zu erstellen. Diese technische Architektur soll verhindern, was man Drittanbietern mit ATT untersagt.
- Höhere Standards: Apple behauptet, seine internen Datenschutzregeln seien strenger als die ATT-Anforderungen für andere Entwickler.
- Nutzerwahl: Auch bei Apples eigenen Werbeanzeigen haben Nutzer die Wahl, diese zu deaktivieren.
- Getrennte Datensilos: Wichtige Apple-Dienste seien technisch so aufgebaut, dass eine Verknüpfung von Nutzerdaten nicht möglich sei.
Was ein Ende von ATT für Nutzer bedeuten würde
Sollte Apple seine Drohung wahr machen und ATT in Europa deaktivieren, wäre dies ein erheblicher Rückschritt für den digitalen Datenschutz. Die einfache und wirksame Kontrolle über das eigene digitale Profil ginge verloren. App-Anbieter könnten wieder weitgehend ungehindert Daten über das Verhalten ihrer Nutzer sammeln, um personalisierte Werbung auszuspielen oder die Daten an Dritte zu verkaufen.
Die aktuelle Auseinandersetzung ist mehr als nur ein Streit zwischen einem Technologiekonzern und Regulierungsbehörden. Es ist ein Grundsatzkonflikt darüber, wem die Daten der Nutzer gehören und wer darüber entscheiden darf, wie sie verwendet werden: die Nutzer selbst oder die Unternehmen, deren Dienste sie nutzen.





