Einem internationalen Forscherteam unter der Leitung der University of Arizona ist es erstmals gelungen, die Quantenunschärfe in Echtzeit zu erfassen und zu steuern. Durch den Einsatz extrem kurzer Lichtpulse im Femtosekundenbereich konnten die Wissenschaftler sogenanntes „gequetschtes Licht“ erzeugen und manipulieren. Diese Entdeckung, veröffentlicht in der Fachzeitschrift Light: Science & Applications, legt den Grundstein für eine neue Disziplin, die ultraschnelle Quantenoptik, und verspricht Fortschritte bei der abhörsicheren Kommunikation und in der Quantensensorik.
Wichtige Erkenntnisse
- Forschern ist die erste Echtzeit-Messung und -Kontrolle der Quantenunschärfe gelungen.
- Die Methode nutzt ultraschnelle Lichtpulse im Femtosekundenbereich, um „gequetschtes Licht“ zu erzeugen.
- Die Technologie hat das Potenzial, die Datenkommunikation schneller und sicherer zu machen.
- Der Durchbruch eröffnet das neue Forschungsfeld der ultraschnellen Quantenoptik.
Ein Meilenstein in der Quantenphysik
Die Quantenmechanik beschreibt eine Welt, in der bestimmte Eigenschaften von Teilchen, wie etwa Licht, prinzipiell nicht gleichzeitig mit absoluter Präzision gemessen werden können. Dieses als Heisenbergsche Unschärferelation bekannte Prinzip bedeutet, dass immer eine gewisse Unsicherheit verbleibt. Ein Team um Mohammed Hassan, Professor für Physik und Optik an der University of Arizona, hat nun eine Methode entwickelt, diese fundamentale Unschärfe gezielt zu beeinflussen.
„Wir haben die erste Demonstration von ultraschnellem gequetschtem Licht und die erste Echtzeitmessung und -kontrolle der Quantenunschärfe realisiert“, erklärt Hassan, der leitende Autor der Studie. Der Erfolg kombiniert zwei bisher getrennte Bereiche der Physik: die Quantenoptik und die Ultrakurzzeitphysik.
Was ist eine Femtosekunde?
Eine Femtosekunde ist ein extrem kurzer Zeitraum. Sie entspricht einem Billiardstel einer Sekunde (10-15 Sekunden). Um dies zu veranschaulichen: Licht legt in einer Femtosekunde nur etwa 0,3 Mikrometer zurück – das ist weniger als die Dicke eines menschlichen Haares.
Das Konzept des gequetschten Lichts erklärt
Im Zentrum der Forschung steht das „gequetschte Licht“ (englisch: squeezed light). In der Quantenphysik werden die Eigenschaften von Licht durch zwei verknüpfte Messgrößen beschrieben, die sich vereinfacht als Position und Intensität eines Teilchens verstehen lassen. Die Genauigkeit dieser beiden Messungen ist durch die Unschärferelation begrenzt.
Die Ballon-Analogie zur Veranschaulichung
Mohammed Hassan verwendet eine einfache Analogie, um das Prinzip zu erklären. „Gewöhnliches Licht ist wie ein runder Ballon, bei dem die Unsicherheit gleichmäßig auf seine Messungen verteilt ist“, so Hassan. Das Produkt der Unsicherheiten bleibt konstant, ähnlich wie die Luftmenge in einem Ballon.
„Gequetschtes Licht – auch als Quantenlicht bekannt – wird in eine ovale Form gedehnt, wobei eine Eigenschaft leiser und präziser wird, während die andere lauter und unschärfer wird.“ Man „quetscht“ also die Unsicherheit von einer Eigenschaft weg und verschiebt sie zu einer anderen, was präzisere Messungen der ersten Eigenschaft ermöglicht.
Gequetschtes Licht wird bereits in der Praxis eingesetzt. Hochempfindliche Gravitationswellendetektoren wie LIGO nutzen diese Technologie, um das Hintergrundrauschen zu reduzieren und extrem schwache Signale von kollidierenden Schwarzen Löchern oder Neutronensternen aus den Tiefen des Alls nachzuweisen.
Der Sprung von Millisekunden zu Femtosekunden
Bisherige Anwendungen von gequetschtem Licht basierten auf Laserpulsen, die im Millisekundenbereich andauern. Hassans Ziel war es, diesen Prozess drastisch zu beschleunigen und gequetschtes Licht mit Femtosekunden-Pulsen zu erzeugen. „Quantenlicht mit ultraschnellen Laserpulsen zu erzeugen, wäre ein revolutionärer Schritt“, sagt er.
Das Team entwickelte eine neue Methode, die auf einem Prozess namens Vier-Wellen-Mischung basiert. Dabei werden drei identische Laserstrahlen auf ein Stück Quarzglas fokussiert. Durch die Interaktion der Lichtstrahlen im Material entsteht das ultraschnell gequetschte Licht.
Kontrolle der Quantenunschärfe in Echtzeit
Der entscheidende Fortschritt der neuen Methode liegt in ihrer Kontrollierbarkeit. Frühere Ansätze konzentrierten sich darauf, die Unsicherheit in der Phase eines Photons (seiner Position innerhalb einer Lichtwelle) zu reduzieren. Hassans Team hingegen konnte die Unsicherheit in der Intensität des Photons quetschen.
„Indem wir ultraschnelle Laser mit der Quantenoptik kombinieren, öffnen wir die Tür zu einem neuen Feld: der ultraschnellen Quantenoptik.“
- Mohammed Hassan, University of Arizona
Die Steuerung erfolgt durch eine simple mechanische Anpassung. Durch die Veränderung des Winkels, in dem die Laserstrahlen auf das Quarzglas treffen, lässt sich die Ankunftszeit der einzelnen Photonen minimal verschieben. Diese winzige zeitliche Verzögerung bestimmt, ob die Intensität oder die Phase des Lichts gequetscht wird. Dies ermöglicht eine dynamische Kontrolle der Quantenunschärfe in Echtzeit.
Anwendungen in der abhörsicheren Kommunikation
Eine der vielversprechendsten Anwendungen der neuen Technologie liegt im Bereich der sicheren Datenübertragung. Sowohl ultraschnelle als auch gequetschte Lichtpulse wurden bereits separat zur Übertragung von Binärdaten genutzt. Die Kombination beider Techniken erhöht jedoch Geschwindigkeit und Sicherheit erheblich.
Die Sicherheit quantenbasierter Kommunikation beruht darauf, dass jede Messung oder jeder Abhörversuch den Quantenzustand des Lichts unweigerlich verändert. Dieser Eingriff wird vom Netzwerk sofort erkannt.
„Wenn jemand Daten abfängt, die mit Quantenlicht gesendet werden, erkennt das Netzwerk den Eindringling sofort“, erklärt Hassan. Bei herkömmlichen Quantensystemen könnte ein Angreifer mit einem Dekodierschlüssel jedoch möglicherweise noch Teile der Information erlangen. Die neue Methode fügt eine zusätzliche Sicherheitsebene hinzu.
Zusätzliche Sicherheitsebene
Bei der neuen Methode muss ein potenzieller Angreifer nicht nur den Schlüssel kennen, sondern auch die exakte Amplitude des Lichtpulses. Ein Abhörversuch stört die Amplitudenquetschung, was bedeutet, dass der Angreifer die korrekte Unsicherheit nicht bestimmen kann. Alle dekodierten Daten wären dadurch fehlerhaft und unbrauchbar.
Zukünftiges Potenzial in Wissenschaft und Technologie
Neben der sicheren Kommunikation sieht das Forschungsteam weitreichende Möglichkeiten für ultraschnelles Quantenlicht. Zu den potenziellen Anwendungsfeldern gehören:
- Quantensensorik: Entwicklung von Detektoren mit bisher unerreichter Empfindlichkeit, beispielsweise für die Umweltüberwachung.
- Chemie und Biologie: Präzisere Diagnoseverfahren und neue Methoden zur Entdeckung von Medikamenten durch die Beobachtung ultraschneller molekularer Prozesse.
- Grundlagenforschung: Untersuchung fundamentaler Quantenphänomene auf extrem kurzen Zeitskalen.
An der Forschungsarbeit waren neben Mohammed Hassan auch Mohamed Sennary, der Erstautor der Studie, sowie Forscher vom Barcelona Institute of Science and Technology, der Ludwig-Maximilians-Universität München und der Catalan Institution for Research and Advanced Studies beteiligt. Die Ergebnisse markieren einen wichtigen Schritt zur Vereinigung von Quantenphysik und ultraschneller Optik und könnten die Grundlage für zukünftige Quantentechnologien bilden.





