Das Indie-Spiel „Easy Delivery Co.“ von Entwickler Sam Cameron verbindet eine niedliche Ästhetik im Stil von Animal Crossing mit einer düsteren, von David Lynch inspirierten Atmosphäre. Spieler übernehmen die Rolle einer Katze, die als Lieferfahrerin in einer verschneiten Bergregion arbeitet und dabei auf beunruhigende Geheimnisse stößt.
Wichtige Erkenntnisse
- Einzigartige Prämisse: Spieler steuern eine Katze, die einen japanischen Kei-Truck fährt, um Pakete auszuliefern.
- Atmosphärischer Kontrast: Das Spiel mischt eine gemütliche, niedliche Grafik mit Elementen des psychologischen Horrors und existenzieller Themen.
- Inspiration durch David Lynch: Die unheimliche Stimmung und die versteckten Geheimnisse sind stark von Werken wie „Twin Peaks“ beeinflusst.
- Überlebensmechanik: Spieler müssen sich mit Kaffee und Energydrinks wach halten, um der Kälte und einer mysteriösen Bedrohung zu entgehen.
Ein unerwarteter Auftrag in einer verschneiten Welt
Auf den ersten Blick wirkt „Easy Delivery Co.“ wie ein entspanntes Fahrspiel. Die Hauptfigur ist eine namenlose schwarze Katze, deren Design an die frühen „Animal Crossing“-Spiele erinnert. Ihre Aufgabe ist es, in einer abgelegenen, von einem ewigen Schneesturm heimgesuchten Berggemeinde Lieferungen durchzuführen. Tag und Nacht pendelt sie in ihrem kleinen Kei-Truck, einem typisch japanischen Kleintransporter, zwischen verschiedenen Geschäften und Unternehmen.
Das grundlegende Spielprinzip ist einfach: Aufträge annehmen, Pakete verladen und pünktlich zustellen. Die Steuerung des Fahrzeugs ist unkompliziert und die verschneite Landschaft erzeugt zunächst eine beruhigende, fast meditative Atmosphäre. Doch schon bald wird klar, dass hinter der idyllischen Fassade mehr steckt.
Was ist ein Kei-Truck?
Kei-Trucks (oder Keitora) sind eine Kategorie von Kleintransportern aus Japan. Sie sind für ihre kompakte Größe, Effizienz und Wendigkeit bekannt und unterliegen strengen Vorschriften bezüglich Motorgröße und Abmessungen. Ihre charmante und praktische Erscheinung macht sie zu einem beliebten Motiv in verschiedenen Medien.
Die Dunkelheit hinter der Fassade
Die idyllische Ruhe wird durch subtile, aber wirkungsvolle Spielmechaniken durchbrochen. Eine ständige Bedrohung ist die beißende Kälte. Sobald die Katze das schützende Fahrerhaus ihres Trucks verlässt, beginnt ihre Ausdauer zu sinken. Um nicht der Kälte zu erliegen, muss sie regelmäßig Energydrinks oder Kaffee aus Automaten konsumieren. Pausen oder Ruhephasen werden im Spiel nicht gefördert – ein Detail, das an die Realität vieler Lieferfahrer erinnert.
Sollte die Kälte die Spielfigur doch einmal überwältigen, etwa auf dem kurzen Weg zum Verkaufsautomaten, geschieht etwas Unerwartetes. Der Spieler wird kurzzeitig in ein dunkles, scheinbar endloses Labyrinth versetzt, bevor die Katze wieder erwacht und ihre Arbeit fortsetzen muss. Dieses Element ist der erste klare Hinweis darauf, dass in der Welt von „Easy Delivery Co.“ etwas nicht stimmt.
Die offizielle Beschreibung des Spiels auf der Plattform Steam spielt bewusst mit dieser Doppeldeutigkeit. Dort heißt es, es sei „ein entspannendes Fahrspiel, in dem es definitiv keine Geheimnisse gibt“ – eine Aussage, die erfahrene Spieler sofort als Hinweis auf das Gegenteil verstehen.
Fakten zum Spiel
- Entwickler: Sam Cameron (Oro Interactive)
- Genre: Fahrsimulation, Abenteuer, Psychologischer Horror
- Protagonist: Eine schwarze Katze
- Setting: Eine isolierte, verschneite Berggemeinde
Der Einfluss von David Lynch
Kenner der Werke des Filmemachers David Lynch werden schnell Parallelen erkennen. Die Atmosphäre von „Easy Delivery Co.“ erinnert stark an Serien wie „Twin Peaks“, in denen eine scheinbar normale Kleinstadt düstere Geheimnisse birgt. Der Kontrast zwischen einer alltäglichen, fast banalen Tätigkeit – dem Ausliefern von Paketen – und einer unterschwelligen, existenziellen Bedrohung ist ein typisches Merkmal des „Lynchian“-Stils.
Entwickler Sam Cameron macht aus dieser Inspiration keinen Hehl. Die langsame Erzählweise, die surrealen Momente und die ständige Ahnung, dass die Realität brüchig ist, sind klare Hommagen an Lynchs Schaffen. Das Spiel verzichtet auf offensichtliche Schockmomente und setzt stattdessen auf eine sich langsam aufbauende, psychologische Spannung.
„Es ist diese Mischung aus dem Alltäglichen und dem Unerklärlichen, die eine einzigartige Form von Unbehagen erzeugt. Das Spiel fängt diesen Geist perfekt ein.“
Mehr als nur eine Lieferung
Während der Spieler die Lieferrouten abfährt, entfaltet sich die Geschichte subtil durch die Umgebung und kleine Details. Die eingeschneite Gemeinschaft wirkt isoliert und verlassen. Die wenigen Charaktere, mit denen man interagiert, sind oft nur Silhouetten hinter den Fenstern der Geschäfte. Dies verstärkt das Gefühl der Einsamkeit und Isolation der Hauptfigur.
Die Notwendigkeit, ständig wach zu bleiben, und die surrealen Erfahrungen bei Erschöpfung werfen Fragen auf: Ist die Welt real? Ist die Katze in einer Art Traum oder Fegefeuer gefangen? Das Spiel gibt keine einfachen Antworten, sondern überlässt vieles der Interpretation des Spielers. Es geht nicht nur darum, von Punkt A nach Punkt B zu fahren, sondern auch darum, die eigene Rolle in dieser seltsamen Welt zu hinterfragen.
Ein einzigartiges Indie-Erlebnis
„Easy Delivery Co.“ ist ein Beispiel dafür, wie Indie-Entwickler etablierte Genres nutzen, um unkonventionelle und zum Nachdenken anregende Erlebnisse zu schaffen. Die Kombination aus einer niedlichen Hauptfigur, einem gemütlichen Setting und tiefgreifendem existenziellen Schrecken ist mutig und effektiv.
Für Spieler, die auf der Suche nach einer Erfahrung abseits des Mainstreams sind, bietet das Spiel eine faszinierende Reise. Es ist ein Titel, der beweist, dass man keine aufwendige Grafik oder komplexe Spielsysteme benötigt, um eine dichte Atmosphäre und eine fesselnde Geschichte zu erzählen. Manchmal reichen eine Katze, ein kleiner LKW und das Gefühl, dass etwas Schreckliches direkt unter der Oberfläche lauert.





