Die britische Musikerin Imogen Heap gibt Einblicke in ihre Karriere, von der riskanten Finanzierung ihres Albums „Speak For Yourself“ über eine zufällige Begegnung mit der Gitarrenlegende Jeff Beck bis hin zu ihren aktuellen Plänen, künstliche Intelligenz in ihre Musik zu integrieren. In einem offenen Gespräch reflektiert sie über ihre späte ADHS- und Autismus-Diagnose und die unerwarteten Erfolge ihrer Songs.
Wichtige Erkenntnisse
- Imogen Heap finanzierte ihr Album „Speak For Yourself“ durch eine Hypothek auf ihre Londoner Wohnung.
- Ihre Zusammenarbeit mit Jeff Beck begann nach einer zufälligen Begegnung in Frankreich, bei der sie seine Identität nicht kannte.
- Heap wurde kürzlich mit ADHS und Autismus diagnostiziert, was ihr Verhalten in der Vergangenheit erklärt.
- Sie sieht künstliche Intelligenz als ein Werkzeug zur kreativen Unterstützung und nicht als Bedrohung für die Musik.
- Der Song „Whatcha Say“ von Jason Derulo, der ihren Hit „Hide and Seek“ sampelte, half ihr bei der Finanzierung ihres Hauses.
Ein unkonventioneller Weg zur Unabhängigkeit
Zu Beginn ihrer Solokarriere stand Imogen Heap vor großen finanziellen Hürden. Nach der Erfahrung mit ihrem Duo Frou Frou bei Island Records, bei dem sie trotz der Arbeit an einem Album keine Einnahmen erzielte, entschied sie sich für einen radikalen Schritt. „Ein weiteres Album mit diesem Label zu machen, hätte sich angefühlt, als würde man sein bestes Kleid zurück in die Reinigung bringen, nachdem sie es verbrannt haben“, erklärt Heap.
Da keine Bank ihr einen Kredit gewähren wollte, fand sie eine kreative Lösung. Ihre Zweizimmerwohnung in Waterloo, die sie für 120.000 Pfund gekauft hatte, war ein Jahr später 100.000 Pfund mehr wert. Sie nahm eine Hypothek auf die Wohnung auf, um die Produktion ihres Albums „Speak For Yourself“ zu finanzieren. Dieser Schritt zahlte sich aus und markierte den Beginn ihrer unabhängigen Karriere.
25 Jahre bis zur ersten Tantieme
Ironischerweise erhielt Imogen Heap erst kürzlich, nach 25 Jahren, ihre ersten Tantiemen für ihre Arbeit mit dem Duo Frou Frou. Der Grund dafür war die erneute Popularität ihrer Musik auf Plattformen wie TikTok.
Die Macht der neuen Medien
Songs wie „Headlock“ erlebten durch soziale Medien eine Renaissance. Heap merkt an, dass die Werbemöglichkeiten heute ganz anders sind als vor 20 Jahren. Damals war die Berichterstattung auf Fachzeitschriften wie NME oder i-D beschränkt. „Wenn wir doch nur TikTok und all diese kostenlose Werbung vor 20 Jahren gehabt hätten“, sagt sie. Gleichzeitig ist sie dankbar für den langsameren Aufstieg, da ein früherer, überwältigender Ruhm möglicherweise zu anderen Lebensentscheidungen geführt hätte.
Zufällige Begegnungen und musikalische Meilensteine
Eine der prägendsten Kollaborationen in Heaps Karriere begann durch einen Zufall. Im Alter von 19 Jahren nahm sie an einem Songwriting-Camp im Schloss von Miles Copeland, dem Manager von The Police, in der Dordogne teil. Dort traf sie auf einen Gitarristen, der ihr freundlich einige Griffe zeigte, während sie unbeholfen spielte.
„Ich saß draußen und spielte sehr schlecht Gitarre für mich allein, und Jeff Beck sagte: ‚Lass mich dir ein paar Griffe zeigen.‘ Ich sagte: ‚Wow, du bist gut!‘“
Sie hatte keine Ahnung, dass es sich um die Gitarrenlegende Jeff Beck handelte. Erst eine Woche später, als ihr Manager sie kontaktierte, erfuhr sie, wer der freundliche Musiker war. Beck war so beeindruckt von ihr, dass er sie bat, auf seinem Album zu singen. Daraus entwickelte sich eine Zusammenarbeit, die zu gemeinsamen Aufnahmen und Auftritten führte. „Er war ein lieber Mensch und ich habe ihn sehr geliebt“, erinnert sich Heap.
Der autobiografische Song „The Listening Chair“
Ein weiteres einzigartiges Projekt ist ihr Song „The Listening Chair“, der alle sieben Jahre um eine Minute erweitert werden soll, um ihr Leben zu dokumentieren. Die Inspiration für die Texte sammelte sie, indem sie ihr Publikum fragte, welche Lieder noch geschrieben werden müssten. Die Antworten variierten stark je nach Altersgruppe, von einfachen Wörtern bei Kindern bis hin zu existenziellen Fragen bei Erwachsenen zwischen 28 und 35 Jahren.
Diagnosen, Kreativität und die Zukunft mit KI
Heap spricht offen über ihre kürzliche Diagnose von ADHS und Autismus. Diese Erkenntnis half ihr, viele ihrer früheren Verhaltensweisen zu verstehen, wie etwa ihre rebellische Schulzeit. „Ich fand das Internat wahnsinnig langweilig“, sagt sie. Die Diagnosen erklären ihren ständigen Drang, Dinge aufzurütteln und neue Wege zu gehen.
Dieser Innovationsgeist zeigt sich auch in ihrem Interesse an künstlicher Intelligenz. Sie plant, KI als kollaboratives Werkzeug in ihren Live-Auftritten zu nutzen. Sie stellt klar, dass es nicht darum geht, die Kontrolle an eine Maschine abzugeben.
„Ich sehe es als eine Zusammenarbeit“, erklärt Heap. „Sagen wir, ich bin in einem Park und es gibt Hundegeräusche und einen vorbeifahrenden Bus. Die KI könnte die Tonart oder einen natürlichen Rhythmus erkennen und potenziell die Musik formen, was mir mehr Zeit gibt, menschlich zu sein.“ Für sie ist KI kein Teufelswerk, sondern eine mögliche nächste Stufe der Evolution, die der Menschheit helfen könnte, die komplexen globalen Probleme zu bewältigen.
Musik für die Kleinsten
Ein ganz anderes Projekt war „The Happy Song“, ein Lied, das speziell entwickelt wurde, um Babys glücklich zu machen. In Zusammenarbeit mit Wissenschaftlern, Psychologen und 50 Babys testete sie verschiedene musikalische Elemente. Sogar ihre damals zweijährige Tochter Scout trug Melodien bei. Das Ergebnis ist ein Lied, das nicht nur Kinder beruhigt, sondern laut Heap auch gestressten Eltern hilft.
Unerwartete Erfolge und die Sicht auf die Musikindustrie
Heaps Musik fand oft auf Umwegen zu weltweitem Erfolg. Ein bekanntes Beispiel ist Jason Derulos Hit „Whatcha Say“ aus dem Jahr 2009, der ein markantes Sample aus ihrem Song „Hide and Seek“ verwendet. Anstatt besitzergreifend zu sein, begrüßt sie solche Neuinterpretationen.
„Ich bin nicht besitzergreifend gegenüber meinen Tracks und ich liebe es, wenn Leute ihnen ein neues Leben einhauchen“, sagt sie. Obwohl sie den Song von Derulo nicht privat hören würde, empfindet sie ihn nicht als anstößig. Finanziell war der Erfolg des Samples ebenfalls von Vorteil: „Es hat geholfen, meine Hypothek zu bezahlen.“
Dieser indirekte Erfolg passt zu ihrer gesamten Karriere. „Ich hatte nie einen direkten Hit, aber ich hatte Tentakel in Hits“, fasst sie zusammen. Diese Position ermöglicht ihr ein Leben abseits des Rampenlichts, was sie sehr schätzt. Sie kann unerkannt durch die Straßen gehen und gleichzeitig von ihrer Kunst leben – eine Balance, die nur wenige Künstler erreichen.
Nach einer längeren Pause, in der sie unter anderem die Musik für das „Harry Potter“-Theaterstück und einen Podcast komponierte, plant sie nun eine Rückkehr. Sie freut sich darauf, wieder spontaner Musik zu machen und Texte im Moment zu improvisieren, anstatt Tausende von Stunden allein im Studio zu verbringen. Ein neues Album, das die „alte Welt“ abschließt, steht kurz bevor, doch ihr Fokus liegt auf der Zukunft und der Schaffung von Musik in Echtzeit.





