Dan Houser, Mitbegründer von Rockstar Games, hat in einem Interview die langjährige Debatte beendet, ob die Grand Theft Auto-Reihe jemals wieder nach London zurückkehren könnte. Seine Antwort ist eindeutig: Die Kernidentität der Serie ist zu tief in der amerikanischen Kultur verwurzelt, um einen Schauplatzwechsel außerhalb der USA zu rechtfertigen.
Zwei Hauptgründe stehen einem europäischen Abenteuer im Weg: die zentrale Rolle von Schusswaffen im Gameplay und die Notwendigkeit überzeichneter Charaktere, die laut Houser untrennbar mit dem amerikanischen Setting verbunden sind.
Wichtige Erkenntnisse
- Dan Houser bestätigt, dass GTA eine rein amerikanische Serie bleiben wird.
- Die Verfügbarkeit von Schusswaffen ist ein entscheidender Gameplay-Faktor, der in London nicht gegeben ist.
- Die satirische Darstellung der amerikanischen Kultur ist ein zentrales Element der GTA-Identität.
- Die einzige London-Episode war eine Erweiterung für das erste GTA-Spiel aus dem Jahr 1997.
Ein Traum, der geplatzt ist
Seit Jahrzehnten hoffen Fans der Grand Theft Auto-Reihe auf eine moderne Umsetzung eines europäischen Schauplatzes, allen voran London. Die einzige offizielle Reise der Serie in die britische Hauptstadt fand 1997 statt, mit der Erweiterung „Grand Theft Auto: London 1969“ für das allererste Spiel der Reihe.
Diese Erweiterung bot einen farbenfrohen, aber aus heutiger Sicht simplen Einblick in die Swinging Sixties. Die Hoffnung, dass Rockstar Games eines Tages eine vollwertige, moderne 3D-Version von London entwickeln würde, blieb jedoch bestehen. Diese Hoffnung wurde nun von einem der wichtigsten Köpfe hinter der Serie zerschlagen.
Die DNA von GTA ist amerikanisch
In einem Gespräch erklärte Dan Houser, dass die Entscheidung, die Serie in fiktiven Versionen amerikanischer Metropolen wie Miami (Vice City), New York (Liberty City) und Los Angeles (Los Santos) anzusiedeln, kein Zufall sei. „Es gibt einen Grund, warum GTA immer wieder nach Miami, New York und Los Angeles zurückkehrte“, so Houser.
Er beschreibt diese Städte als Schmelztiegel, in denen extremer Reichtum direkt neben bitterer Armut existiert. Sie sind Zentren von Glamour, Einwanderung, Drogenhandel und organisiertem Verbrechen – eine perfekte Bühne für die Geschichten, die GTA erzählen will. Die Serie sei eine überzogene, satirische Darstellung des „American Dream“ und seiner Schattenseiten.
Das größte Hindernis: Fehlende Waffen
Der wohl pragmatischste Grund gegen ein GTA in London ist ein fundamentaler Aspekt des Gameplays: Schusswaffen. Die GTA-Spiele sind bekannt für ihre actiongeladenen Schießereien, und die leichte Verfügbarkeit von Waffen ist ein fester Bestandteil der Spielwelt.
„Man brauchte Waffen, man brauchte diese überlebensgroßen Charaktere. Es fühlte sich einfach so an, als ginge es im Spiel so sehr um Amerika, vielleicht aus der Perspektive eines Außenstehenden, aber das war so sehr der Kern der Sache, dass es woanders nicht wirklich auf die gleiche Weise funktioniert hätte“, erklärte Houser.
In Großbritannien gelten deutlich strengere Waffengesetze als in den USA. Ein Spiel, in dem Spieler problemlos ein Arsenal an Waffen erwerben können, wäre in einem Londoner Setting schlichtweg unglaubwürdig und würde die satirische, aber dennoch in der Realität verankerte Grundlage der Serie untergraben.
Rückblick: GTA London 1969
Die Erweiterung für das erste GTA-Spiel wurde 1997 veröffentlicht. Sie nutzte dieselbe 2D-Top-Down-Perspektive wie das Originalspiel, ersetzte aber die amerikanischen Fahrzeuge und Umgebungen durch britische Pendants wie Minis und Doppeldeckerbusse. Es war eine stilistische Anpassung, keine tiefgreifende kulturelle Auseinandersetzung.
Die Kunst der Übertreibung
Ein weiterer Punkt, den Houser betonte, ist die Art der Charaktere, die GTA bevölkern. Die Serie lebt von exzentrischen, überzeichneten Persönlichkeiten, die eine „psychotische Version eines Dickens-Romans“ darstellen. Diese Form der Satire funktioniert seiner Meinung nach am besten vor dem Hintergrund der amerikanischen Kultur, die weltweit durch Film und Fernsehen bekannt ist.
Ein Spiel in London oder einer anderen europäischen Stadt würde eine völlig andere Art von Satire und kulturellen Anspielungen erfordern, was die etablierte Formel der Serie grundlegend verändern würde. Rockstar hat sich stattdessen entschieden, die amerikanische Kultur weiter zu erforschen und zu parodieren.
Housers Abschied von Rockstar
Dan Houser verließ Rockstar Games im Jahr 2020 nach einer längeren Pause im Anschluss an die Fertigstellung von Red Dead Redemption 2. Er war als Chefautor maßgeblich für die Geschichten und den Ton von Spielen wie GTA 4, GTA 5 und der Red Dead Redemption-Reihe verantwortlich. Inzwischen hat er ein neues Studio namens Absurd Ventures gegründet. An der Entwicklung des kommenden Grand Theft Auto 6 ist er nicht beteiligt.
Der Druck hinter den Kulissen
Houser gab auch Einblicke in den enormen Druck, unter dem die Entwicklung früherer Titel stand. Die Arbeit an GTA 4 sei extrem stressig gewesen, insbesondere nach der „Hot Coffee“-Kontroverse um ein verstecktes Minispiel in GTA: San Andreas, die das Unternehmen beinahe zu Fall gebracht hätte.
Selbst beim hochgelobten Red Dead Redemption 2 war der Druck immens. „Bei Red Dead 2 waren wir im Zeitplan zurück, wir waren so weit über dem Budget, dass ich nicht darüber nachdenken wollte, und man macht ein Spiel über einen Cowboy, der an Tuberkulose stirbt, und das Spiel fügt sich nicht zusammen“, erinnerte er sich. Dieser ständige Druck könnte ein Faktor für seinen späteren Abschied gewesen sein.
Während Fans also weiterhin von einem Ausflug nach Europa träumen mögen, hat Rockstar Games eine klare Vision für seine erfolgreichste Marke. Grand Theft Auto bleibt ein amerikanisches Phänomen – eine Entscheidung, die tief in der Spielmechanik und der kreativen Identität der Serie verwurzelt ist.





