Nach dem kritisch verrissenen Start des Videospiels MindsEye hat Leslie Benzies, Gründer des Entwicklerstudios Build A Rocket Boy, in einer internen Besprechung schwere Vorwürfe gegen die eigene Belegschaft erhoben. Er sprach von „Saboteuren“ in den eigenen Reihen, die für den Misserfolg des Spiels verantwortlich seien.
Diese Anschuldigungen stehen im krassen Gegensatz zu den Aussagen ehemaliger Mitarbeiter, die von einer chaotischen Entwicklung ohne klare Richtung und einer problematischen Führungskultur berichten. Während die Unternehmensführung nach außen die volle Verantwortung übernimmt, offenbaren interne Dokumente ein tief gespaltenes Studio.
Wichtige Erkenntnisse
- Leslie Benzies, Chef von Build A Rocket Boy, vermutet interne Sabotage als Grund für den Misserfolg von MindsEye.
- Ehemalige Mitarbeiter widersprechen und nennen fehlende Vision und Mikromanagement als Hauptursachen.
- Das Studio kündigte kurz vor den Anschuldigungen Entlassungen an, was die Spannungen zusätzlich erhöhte.
- Die offizielle Stellungnahme des Unternehmens widerspricht den intern geäußerten Vorwürfen des Gründers.
Interne Vorwürfe nach misslungenem Start
Die Vorwürfe wurden während eines unternehmensweiten Meetings im Juli laut, kurz nach der Veröffentlichung von MindsEye. Das Spiel erhielt überwiegend negative Kritiken von Fachpresse und Spielern. In einer Abschrift des Meetings, deren Echtheit bestätigt wurde, bezeichnete Benzies die negative Reaktion auf das Spiel als „unangebracht“.
Er führte aus, dass sowohl „interne als auch externe“ Kräfte den Start des Spiels behindert hätten. Daraufhin kündigte er an, die verantwortlichen „Saboteure“ innerhalb des Unternehmens ausfindig machen zu wollen.
„Ich finde es widerlich, dass jemand unter uns sitzen, sich so verhalten und weiterhin hier arbeiten kann“, so Benzies während der Versammlung.
Besonders brisant ist der Zeitpunkt dieser Anschuldigungen. Nur eine Woche zuvor hatte das Unternehmen den Mitarbeitern mitgeteilt, dass es zu Entlassungen kommen werde. Dies schuf eine Atmosphäre des Misstrauens und der Unsicherheit im gesamten Team.
Mitarbeiter schildern eine andere Realität
Ehemalige Angestellte von Build A Rocket Boy zeichnen ein völlig anderes Bild der Situation. Sie sehen die Ursachen für den Misserfolg nicht in Sabotage, sondern in fundamentalen Problemen bei der Projektleitung und der Unternehmenskultur.
Fehlende Vision und Mikromanagement
Ein zentraler Kritikpunkt war die fehlende strategische Ausrichtung. „Leslie hat sich nie entschieden, welches Spiel er eigentlich machen wollte“, berichtete ein ehemaliger Mitarbeiter namens Jamie. „Es gab keine zusammenhängende Richtung.“
Gleichzeitig wird Benzies ein starkes Mikromanagement vorgeworfen. Er meldete demnach häufig Fehler, die ihm beim Spielen auffielen. Diese sogenannten „Leslie-Tickets“ erhielten im Entwicklungsprozess die höchste Priorität und mussten umgehend bearbeitet werden, unabhängig von anderen wichtigen Aufgaben.
Die „Leslie-Tickets“
Aufgaben, die direkt von Studiogründer Leslie Benzies gemeldet wurden, erhielten sofort höchste Priorität. Laut dem ehemaligen leitenden Datenanalysten Ben Newbon mussten andere, potenziell wichtigere Arbeiten dafür unterbrochen werden. Feedback von anderen Teammitgliedern wurde hingegen oft ignoriert.
Newbon erklärte weiter: „Viele der Punkte, auf die wir immer wieder hingewiesen haben, wurden einfach ignoriert und nie umgesetzt.“ Dieses Vorgehen führte zu Frustration im Team, da das Gefühl entstand, dass nur die Meinung der Führungsebene zählte.
Eine Kultur der Einschüchterung
Die Probleme beschränkten sich nicht nur auf die Projektleitung. Margherita Peloso, eine weitere ehemalige Mitarbeiterin, gab an, in Meetings von Vorgesetzten „ausgelacht“ worden zu sein, als sie Bedenken äußerte. Solche Erfahrungen deuten auf eine toxische Arbeitsatmosphäre hin, in der offenes Feedback nicht erwünscht war.
Zusätzlich berichten Quellen von einer ausgeprägten „Crunch Culture“ in den Monaten vor der Veröffentlichung, bei der exzessive Überstunden zur Norm wurden. Trotz des hohen Einsatzes rechneten viele Mitarbeiter intern bereits mit einer negativen Aufnahme des Spiels.
Offizielle Stellungnahmen und die Zukunft des Studios
Die offizielle Kommunikation des Unternehmens steht im Widerspruch zu den internen Aussagen von Benzies. In einer Erklärung gegenüber Medien übernahm die Geschäftsführung die Verantwortung für den misslungenen Start.
„Leslie und das gesamte Führungsteam übernehmen die volle Verantwortung für den ursprünglichen Start von MindsEye“, heißt es in der Stellungnahme. „Die veröffentlichte Version des Spiels spiegelte nicht die Erfahrung wider, die unsere Community verdient hat.“ Das Unternehmen zeigte sich zudem „zutiefst betrübt“ über die notwendigen Entlassungen.
Frühere Verschwörungstheorien
Bereits vor der Veröffentlichung äußerte Co-CEO Mark Gerhard auf einem Discord-Server die Vermutung, dass negative Reaktionen auf das Spiel „von jemandem finanziert“ würden. Er sprach von einer „konzertierten Anstrengung“ gegen das Studio, was auf eine tief verwurzelte Abwehrhaltung in der Führungsebene hindeutet.
Der Publisher des Spiels, IO Interactive, scheint sich inzwischen von dem Projekt zu distanzieren. Hakan Abrak, CEO von IO Interactive, erklärte, dass sein Unternehmen zukünftig die eigenen Spiele intern veröffentlichen werde. Die Zukunft der Publishing-Sparte „IOI Partners“, unter der MindsEye erschien, sei ungewiss.
Die Diskrepanz zwischen interner Schuldzuweisung und externer Verantwortungsübernahme wirft ein beunruhigendes Licht auf die Führung von Build A Rocket Boy. Während die Zukunft von MindsEye ungewiss bleibt, kämpft das Studio mit den Folgen einer tiefen internen Krise.





